Versandhandel:Amazon bereitet Offensive in München vor

Lesezeit: 3 min

So sieht es im Amazon-Logistikzentrum in Graben bei Augsburg aus. (Foto: Michaela Rehle/Reuters)
  • In München und Olching baut Amazon gerade zwei neue Logistikzentren auf.
  • Nach SZ-Informationen will der Versandhändler ab 2016 eine Lieferung binnen Stunden nach der Bestellung anbieten.
  • Das Angebot soll sich an Kunden des Prime-Dienstes richten, der auch für Streaming bekannt ist.

Von Stefan Mayr, München/Olching

Der Versandhandelsriese Amazon plant eine Offensive im Großraum München und will hierfür zwei neue Logistikzentren einrichten - eines im Stadtgebiet und eines in Olching. Nach Informationen aus Unternehmenskreisen will der US-amerikanische Konzern in München einen Schnell-Lieferservice aufbauen. Dieser soll sogenannten "Prime"-Kunden künftig ihre Waren innerhalb weniger Stunden zustellen.

Wie Amazon seine Logistik ausbaut

Amazon selbst bestätigt die Pläne nicht. "Wir äußern uns nicht zu Gerüchten", sagt Sprecherin Anette Nachbar. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat das Tochterunternehmen Amazon Deutschland Transport GmbH in einem Gewerbegebiet in Olching im Landkreis Fürstenfeldbruck eine 12 000 Quadratmeter große Halle angemietet. Darin werden bereits Regale hochgezogen.

"Das wird ein Logistikzentrum wie in Graben bei Augsburg, nur kleiner", berichtet ein Mitarbeiter, der nicht namentlich genannt werden will. Einige Kollegen aus Graben seien bereits in Olching, um die Infrastruktur aufzubauen.

Im Jahr 2016 sollen die Auslieferzentren in München und Olching in Betrieb gehen. Auch in der Landeshauptstadt sei bereits eine Halle angemietet, sagt der Mitarbeiter. Wo genau sich diese befindet, ist allerdings bisher ebenso unbekannt wie die Zahl der geplanten Arbeitsplätze.

Amazon
:Wenn einem Unternehmen alles egal sein kann

Amazon mag als Arbeitgeber nicht den besten Ruf haben. Aber das Unternehmen muss sich nicht darum kümmern, denn das Geschäftsmodell fußt auf der immerwährenden Bequemlichkeit der Menschen.

Ein Kommentar von Annette Zoch

Überhaupt betreibt Amazon seine Nahversorgungs-Offensive als Geheimmission. Auch intern hat das Unternehmen noch keine Details kommuniziert. Nur jene Personen, die die neuen Standorte aufbauen, wissen mehr. Einige von ihnen befinden sich derzeit in England, wo Amazon das sogenannte "Prime Now"-Angebot in London und Birmingham eingeführt hat.

Warum bald auch Supermärkte betroffen sein könnten

"Prime Now" sieht vor, dass Kunden ihre Ware noch am Tag der Bestellung erhalten - hierfür müssen sie einen Aufpreis zahlen. "Eigentlich sollte Prime Now in München schon 2015 starten", erzählt der Amazon-Mitarbeiter, "doch das wurde von einem Tag auf den anderen verschoben." Ob der Markteintritt verschoben wurde, weil das Angebot in England keinen Erfolg hat oder weil sich die Organisation in der Landeshauptstadt schlichtweg verzögerte, darüber kann man nur spekulieren. In jedem Fall können sich Münchens Einzelhändler auf einen mächtigen Konkurrenten vorbereiten.

Davon betroffen könnten früher oder später auch die Supermärkte sein. So berichteten Fachmedien bereits darüber, dass Amazon mittelfristig seine Lebensmittel-Sparte "Fresh" in Deutschland etablieren könnte. In einigen US-amerikanischen Großstädten liefert der Konzern mit seinen grünen "Fresh"-Lieferwagen bereits Obst, Fleisch und Gemüse aus. Die deutschen Supermarkt-Ketten sind sich der Gefahr bewusst, sie bauen teilweise selbst ihre Lieferservice-Angebote aus.

Noch sind viele Fragen offen - etwa die, ob sich das Angebot durchsetzt und ob Amazon als Nahversorger in München am Ende mehr Arbeitsplätze vernichtet als bringt. Aber auch die Logistik-Branche ist aufgeschreckt: Denn während Amazon bei der Zustellung bislang mit anderen Lieferunternehmen zusammengearbeitet hat, will der US-Konzern seinen Turbo-Service offenbar gleich selbst abwickeln. Jedenfalls hat Amazon im Laufe dieses Jahres nicht weniger als fünf Tochterunternehmen aus dem Boden gestampft, die vielsagende Namen tragen: Amazon City Logistik Alpha GmbH, Amazon City Logistik Beta GmbH, Amazon City Logistik Gamma GmbH, Amazon Deutschland Transport GmbH und Amazon Logistik AF München GmbH. Sie alle haben ihren Sitz an der Marcel-Breuer-Straße in der Parkstadt Schwabing, wo auch die Deutschland-Zentrale des Konzerns sitzt.

Als "Unternehmensinhalt" geben die Töchter im Handelsregister jeweils an: "Erbringung von logistischen Dienstleistungen, insbesondere Transport, Umschlag und Lagerung, und anderen Vertriebsleistungen, einschließlich der damit verbundenen Dienstleistungen". Die SZ-Anfrage, was genau Amazon mit diesen Unternehmen vorhat, lässt die Pressestelle unbeantwortet.

Selbstausbeutung bei Amazon
:Wenn Konkurrenzdenken zum Gift wird

Arbeiten bis zur Erschöpfung, Petzen für die Karriere? Das Betriebsklima bei Amazon macht Schlagzeilen. Ein Wirtschaftspsychologe erklärt, warum sich Menschen auf solche Firmen einlassen.

Interview von Dorothea Grass

Amazon-Mitarbeiter gehen davon aus, dass in München und Olching vor allem sogenannte Schnelldreher gelagert und verschickt werden sollen. Das sind kleinere Waren wie Bestseller-Bücher oder -CDs, die in großer Anzahl bestellt werden und ohne großen Aufwand schnell zugestellt werden können. Größere oder seltener bestellte Artikel werden wohl weiterhin aus den bisherigen Logistikzentren angeliefert.

Der Standort in Olching wäre für die Schnellzustellung in München wie geschaffen: Die neue Halle am Gewerbering liegt direkt an der Bundesstraße B 471. Von dort ist man schnell auf den Autobahnen A 8 und A 99, über die man wiederum schnell die einzelnen Stadtteile erreicht. Wann genau und wie der Betrieb beginnt, ist allerdings noch offen.

© SZ vom 10.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: