München:Ständige Kontrollen sollen die Dealer verjagen

Drogenszene Hauptbahnhof

Kontrollen und Aufenthaltsverbote sollen helfen, die Lage in den Griff zu bekommen - bisher mit wenig Erfolg.

(Foto: Florian Peljak)

Es ist dunkel geworden rund um den Hauptbahnhof. Die Strahler, die den Südeingang ausleuchten sollen, bringen nur wenig. Der Parkplatz hinterm Taxistand ist völlig in Dunkelheit gehüllt, zwei Straßenlaternen sind ausgefallen. Für Remy und Berkofsky ist das, worauf sie bei ihren Kontrollen und Einsätzen dort und im angrenzenden südlichen Bahnhofsviertel stoßen, trotzdem das "Hellfeld".

Denn vieles Andere bleibt unsichtbar: die Hintermänner, die Strukturen, die Beweggründe. Ob es denn stimme, was immer wieder kolportiert wird - dass manche Flüchtlinge dealen, um Schleuserlohn abzuarbeiten? Spekulation, sagt Wolfgang Hauner, Sprecher der Bundespolizei. Spekulation, sagen Remy und Berkofsky und auch Münchens Polizeipräsident Hubertus Andrä. Fest steht: Drogengeschäfte verheißen vermeintlich schnelles Geld.

Und da setzt die Polizei den Hebel an. "Unser Ziel ist es", sagt Erster Kriminalhauptkommissar Berkofsky, "dass durch unsere Maßnahmen der Stundenlohn der Dealer so gering wird, dass sie irgendwann erkennen: Dafür kann ich auch arbeiten gehen." Ständige Streifen, Kontrollen, Einsätze in Zivil und in Uniform: Lästig sein, durch hohe Kontrolldichte das Bahnhofsumfeld unattraktiv machen - so schaut die Sisyphusarbeit der Polizei aus. Die Szene dürfe sich nie sicher fühlen, müsse vorsichtig agieren.

Eine offene Szene wie in Frankfurt oder Berlin, bei der Rauschgift - auch harte Drogen - am immer gleichen Ort ständig verfügbar ist: So etwas will die Polizei in München unbedingt verhindern. Wenn die Fahnder sehen, dass ein kaufwilliger Interessent nicht bedient wird, wenn ein Dealer zu einem Kunden sagt: "Not here. Too much police. Come with me!" - dann ist das für Berkofsky ein großer Erfolg.

Der Erfolg wird dann noch größer, wenn ein Fronthändler beim Deal erwischt wird und ins Gefängnis wandert. "Die Zusammenarbeit mit Staatsanwälten, Haft- und Ermittlungsrichtern funktioniert sehr gut", sagt Andre Remy.

"Ware vernichten, flüchten, angreifen" - so beschreiben Berkofsky und die Polizisten am Hauptbahnhof übereinstimmend die Reaktion der Erwischten. Faustschläge gegen Polizisten sind keine Seltenheit. Weil die Polizei grundsätzlich als Gegner gilt? Oder gerade: als nicht ernst zu nehmender Gegner? "Man kann nicht reinschauen, was die erlebt haben", sagt Polizeihauptmeister Dietmar Schmidt.

72 Menschen

hat die Stadt 2015 den Aufenthalt im Bahnhofsumfeld verboten, heuer waren es schon 45. Dabei ging es nicht nur um Drogen- delikte, sondern auch um Gewalt und vor allem: um Alkohol, oft in der Alt- Szene am Bahnhofseingang. Wunsch vieler Polizisten: das düstere Vordach ("Schwammerl") abreißen. Und ein Alkoholverbot fürs Bahnhofsumfeld. Ein Vorstoß beim Innen- minister läuft.

Wenn er auf Streife geht wie an diesem Abend mit seinem Kollegen Vogel legt er die Schutzweste um, zieht Handschuhe an, steckt Pistole, Schlagstock und Pfefferspray ein. Der Schutz vor dem Rassismus-Vorwurf ist schwieriger. "I'm black, don't touch me." - "Nazi!" - "Ihr könnt mir eh nichts." Das bekommen die Polizisten zu hören.

Der junge Mann in der auffälligen roten Jacke lässt es gar nicht soweit kommen. Der Anblick der Bundespolizeistreife hat ihn nervös gemacht. Und er geht nun doch stiften. Eine Stunde später, die Bundespolizisten Vogel und Schmidt sind inzwischen von einer neuen Streife abgelöst worden, steht ein stämmiger Mann in der dunklen Ecke zwischen Burger King und U-Bahn-Aufzug. Ein Begleiter sichert das Terrain.

Der Mann telefoniert leise. Dann sagt er: "Just give me two hours" und verschwindet zusammen mit seinem Kompagnon in der Dunkelheit hinterm Currywurststand. Zwei Stunden für einen kleinen Deal? Drogenfahnder Berkofsky wird sich zufrieden die Hände reiben. Wieder hat die Polizei den Dealern das Geschäft ein bisschen schwerer gemacht.

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