Süddeutsche Zeitung

Schwarzreiter:Etwas Bayerisches in jedem Gericht

Lesezeit: 3 min

Das Sternerestaurant "Schwarzreiter" und seine Küchenchefin Maike Menzel setzen auf "Young Bavarian Cuisine". Sie veredelt regionale Erzeugnisse, die man früher zur Arme-Leute-Küche zählte. Das Ergebnis ist herausragend.

Von Karl-Heinz Peffekoven

Das Restaurant Schwarzreiter betritt man am schönsten über die cool-elegante Tagesbar, die allein schon für einen festlichen Abend genügen würde. Peffekoven jedoch hatte Größeres vor, und ging nach hinten, ins edle Restaurant Schwarzreiter. Der Raum verströmt eine kühle Atmosphäre - internationaler Chic, ein wenig unpersönlich. Aber man sitzt sehr angenehm, außer Hörweite des Nebentischs, was in München heute schon ein Wert an sich ist.

Der Gruß aus der Küche - winzige Käsespätzle - gibt bereits die Richtung vor. Er zeigt auch, mit welchen Fantasien gespielt wird. Der Guide Michelin, der dem Haus einen Stern verlieh, würdigte "erstklassige Produkte", die "modern, finessenreich und mit schönen Kontrasten zubereitet" werden. Und ja, es ist wahr. Finessenreich: Deftige Käsespätzle sind so ziemlich das letzte, was man mit der Luxuscremeweißeleganz des Schwarzreiters assoziiert. Zu Unrecht, wie sich herausstellen wird.

Küchenchefin Maike Menzel setzt auf "Young Bavarian Cuisine" und stützt sich auf regionale Erzeugnisse, sie sucht auch das Einfache, Rustikale. Jene Nahrungsmittel, die der Großstädter einst als bäuerliche Armeleuteküche abstreifte, um sie seit einigen Jahren wieder umso inniger herbeizusehnen. Der Anspruch hier: In jedem Gericht begegnet dem Gast etwas aus Bayern. Es ist um eine Verneigung vor der unendlichen Vielfalt im Kleinen, welche die Natur hervorbringt: Hirse, Buchweizen, Vollkornroggen, Emmer. Der überaus freundliche Chefkellner erklärt: Das Kochen mit "vergessenen Getreidesorten" sei ein besonderes Anliegen der Chefin.

Wie in einem Haus dieser Klasse üblich, gibt es eine kleine feine Auswahl, die man à la carte bestellen kann, die sich aber auch in zwei Menüs bündeln lässt. Peffekovens Begleitung entschied sich für die leichtere Variante (5 Gänge, 135 Euro). Es gab feine Forelle an Kaviar, Petersilienwurzel, dazu Quitte und Fenchelgemüse (dies würde einzeln 29 Euro kosten). Der Fenchel war papierdünn gehobelt und wunderbar süß, was sich gut mit knackigen Pfefferkörnern kombinierte. Sodann folgte ein Fumet, stark reduzierte Sauce, von der Bayerischen Garnele, dazu Hirse, Karotte, Kumquat (43,00). Auf diesen Gang kann man verzichten, das Menü wird mit und ohne ihn angeboten. Aber verzichten auf diese so zart, so fantastisch orange leuchtende Wurzel, die sonst immer Nebenschauspieler ist? Die Garnelenart heißt White Tiger und kommt aus einer erlesenen Zucht bei Freising. Es folgte eine hauchzarte Lugeder-Ente mit Blaukraut, schwarzem Knoblauch und Maronen (54,00). "Von der Alm" hieß die Käseauswahl. Den Schluss machte Süßes: Piemonteser Haselnuss, Tonkabohne und andere Kostbarkeiten.

Man staunt, wie immer in der Sterneküche, über die Details. Die Kräuterbutter zum Beispiel: Das ist kein gesprenkeltes Gemisch mit Knoblauchdominanz, sondern aromatisches Kräuteröl in tief leuchtendem Seegrün an einem Stück Butter.

Sehr anzuraten ist, jedenfalls wenn anschließend keine anspruchsvolleren Vorhaben warten, die Weinbegleitung. Der Kellner sucht zu jedem Gang im Gespräch mit dem Gast einen passenden Wein aus, und Peffekoven hat sich im Dienste der Leserschaft geopfert (aber es sind auch jeweils nur 0,1 Liter). Man trank also einen zitronigen Grünen Veltliner vom Nikolaihof aus der Wachau oder einen Chardonnay von Martin Wassmer, burgunderinspiriert mit leichter Bitternote, aus dem Eichenfass.

Beim anderen Menü (6 Gänge, 165 Euro, empfahl der Sommelier zum Stör einen kräftigen Südtiroler Wein aus französischer Traube, der den Abgang frei lässt für die spezielle Räuchernote des Fischs. Genau so war es, Peffekoven war beeindruckt. Dieses Menü ist etwas kräftiger, es gab Gänseleber-Terrine mit Hagebutte, Mandarine und Früchtepunsch (34,00 bei Einzelbestellung), konfiertes Eigelb mit weißem Trüffel und Topinambur (44,00), eben den Stör mit Muskatblüte, Kürbis und weißen Linsen, deren Konsistenz der von Pinienkernen glich (41,00). Peffekoven hasst Kürbis infolge unerfreulicher Erfahrungen im privaten Bereich, zu süß, zu matschig - aber hier war er wie von Zauberhand in kleine, feste, wohlschmeckende Scheiben verwandelt. Als nächstes brachte man Reh vom Gutshof Polting mit Wacholder und Buchweizen (54,00). Bemerkenswert eine winzige, aber sich im Gaumen perfekt ausbreitende Beilage: Blutwurstpüree in kleinen Tröpfchen, neben Türmchen aus Schwarzwurzeln.

Es wäre gastrogeckenhaft, an dieser herausragenden Küche herumzumosern. Einmal war der Fisch etwas kalt, nun gut. Und manche Speisen kommen in sehr hübschen Tellern, deren steil aufsteigender Rand es kaum erlaubt, das Besteck abzulegen, ohne dass es nach unten Richtung Sauce abrutscht. Aber das sind Sorgen, die andere Restaurants gern hätten. Nur etwas hat Peffekoven wirklich irritiert. In seinen Aufzeichnungen fand er die Notiz: "Steuerleute Quinoa gekocht". Rätselhaft. Hatte er es mit der Weinbegleitung vielleicht doch übertrieben? Man beschloss, im Falle unverhofften Geldsegens einmal wiederzukehren und der Sache auf den Grund zu gehen. Das sind sehr gute Aussichten.

Adresse: Maximilianstraße 17, 80539 München, 089/21252125, Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag 18.30 bis 22.30 Uhr, info@schwarzreiter.com

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Quelle:
SZ vom 19.12.2019
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