Bürgerversammlung:In der Löwengrube

Bürgerversammlung: Ein Stück München mit Potenzial: Das Tal zwischen Altem Rathaus und Isartor, über das derzeit ziemlich viel gestritten wird.

Ein Stück München mit Potenzial: Das Tal zwischen Altem Rathaus und Isartor, über das derzeit ziemlich viel gestritten wird.

(Foto: Stephan Rumpf)

Für ihre Bürgerversammlung strömen die Bewohner des Viertels in Scharen ins Rund des Circus Krone. Die Umgestaltungsskeptiker beim Thema Tal bestimmen den Abend - wie erwartet.

Von Julian Raff

Gut zwei Jahre nach der letzten Bürgerversammlung gibt es im Zentrum einiges zu besprechen: Unbeirrt von Maskenpflicht und Einlass-Procedere hatten sich 130 Anwohner zum Circus Krone aufgemacht, 29 von ihnen brachten insgesamt 56 Anträge und Anfragen ans Mikrofon. Der Schwerpunkt dieser rekordverdächtigen Aktiv-Beteiligung lag im Tal, wie es die dortige Initiative der Umgestaltungsskeptiker bereits angekündigt hatte.

Die Umwandlung von Pkw-Parkplätzen in Aufenthalts- oder Gastroflächen bleibt aber im gesamten ersten Stadtbezirk umstritten, nicht zuletzt im Lehel. Die BA-Vorsitzende Andrea Stadler-Bachmaier und Bürgermeisterin Katrin Habenschaden, die die Sitzung leitete (beide Grüne), verspürten scharfen Gegenwind auf einem Kerngebiet ihrer grünen Verkehrspolitik.

Unterstützt durch Zwischenapplaus, ging zum Beispiel Stefan Brunner aus dem mittleren Tal sowohl mit dem "übereilten Stückwerk" der geplanten Sofortmaßnahmen ins Gericht, als auch mit dem "Hau-Ruck-Verfahren" bei der Bürgerbeteiligung. Brunners Forderung, die Maßnahmen auszusetzen, so lange die Aufenthaltsqualität im Tal ohnehin unter dem Baustellenverkehr zum neuen S-Bahnhalt unterm Marienhof leide, ging einstimmig durch. Viele themenverwandte Anträge fanden keine oder kaum Gegenstimmen. Für die Zeit nach dem Ende der Großbaustelle forderte Brunner einen Ideenwettbewerb und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Stadtbach-Vision eines Münchner Architekten, sowie daran, dass "die beliebtesten Münchner Plätze, wie der Gärtner- oder Odeonsplatz, von Künstlern geprägt wurden, nicht von Stadtplanern".

Das schlummernde Ambiente-Potenzial der Straße beschwor auch Markus Augstburger, Wirt vom Schneider-Bräuhaus, noch einmal herauf, dessen innenstädtische Wurzeln nach eigenem Bekunden so tief reichen, dass er schon beim Überqueren des Altstadtrings einen "Straßenbahn-Lag" verspüre. Den konkreten verkehrspolitischen Weg zur neuen Stadtheimat sieht Roman Roell in einem Knotenpunkt ("Hub") für E-Mobilität am Isartor, vor allem aber in einer "zona traffico limitato" nach italienischem Vorbild. In einer solchen Anwohnerzone müssten die motorisierten Städter nicht mehr mit Auswärtigen um Parkraum konkurrieren. Breite Zustimmung gab es hierfür, wie auch für das ähnliche, von einer anderen Antragstellerin genannte "shared-space"-Modell. Kunden und Patienten sollten bei alldem nicht komplett draußen bleiben.

Im Namen seiner Einzelhändler-Kollegen warnte Florian Fackler vor "weiteren abschreckenden Signalen" in (Post)-Coronazeiten. Ähnlich äußerte sich Barbara Arnold für die rund 80-köpfige Ärzteschaft im Tal. Für die lückenhafte Einladung zu den Anwohnerrunden bat Mobilitätsreferent Georg Dunkel um Entschuldigung und stellte einen "Kompromiss" in Aussicht. Mit dem Ziel erster Maßnahmen bis Jahresende hat sich die Stadt dabei offenbar von der bisher geplanten Umsetzung im Frühherbst verabschiedet.

Isarwärts, im mittleren Lehel, reißen die Anwohnerklagen über endlose Parksuchfahrten nicht ab. Dass der enge Straßenraum hier, wie Dunkels Kollege Tobias Steurer versicherte, bereits "optimiert" genutzt sei, bezweifeln Anwohner, nach deren Eindruck Schanigärten bevorzugt auf reine Anwohner-Parkplätze gesetzt wurden. Ein Antrag, die Gastro-Flächen künftig ab drei Wochen Lockdown abzubauen oder wenigstens als Radlstellplätze zu nutzen, ging durch, kommt aber hoffentlich nicht mehr zum Tragen.

Vor allem Anliegen rund um den Schutz der Restruhe in belebter Umgebung rundeten das Spektrum ab, sei es die Bitte, die Straßenreinigung in der Stollbergstraße von fünf auf sieben Uhr früh zu verlegen, in der Müllerstraße leisere Tram-Züge einzusetzen, oder Straßenmusikern per Verordnung gelegentlichen Standortwechsel nahezulegen. Sämtliche Antragsteller betonten dabei, sie seien als Citybewohner an sich gewiss nicht überempfindlich. Urbane Gelassenheit demonstrierten die Anwesenden schließlich auch, indem sie dagegen stimmten, den Skatern vor der Oper unbefahrbare Barrieren vor die Bretter zu legen.

Dennoch für ein wenig Adrenalin - und zugleich für eine kleine Schlusspointe in perfektem Timing - sorgten schließlich um 22.30 Uhr die nebenan untergebrachten Zirkuslöwen: Durchs sicher verschlossene Manegentor drang unvermittelt ihr sonores Brüllen. Sitzungsleiterin Habenschaden sah sich veranlasst, das ohnehin straffe Tempo noch einmal zu steigern und schnell den letzten Antrag zur Abstimmung zu stellen, Betreff: Eine Ladezone für Anwohner in der - Löwengrube.

Zur SZ-Startseite

Stadtplanung
:Wie München bis 2040 aussehen könnte

Eine Karte für Jahrzehnte: Im Großen sind die Stadträte mit dem neuen Stadtentwicklungsplan zufrieden - doch ein Siedlungsprojekt wird gleich gestrichen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: