Süddeutsche Zeitung

Innenstadt:"Warum muss das Haus einen Meter höher werden?"

Wo früher das Schreibwarengeschäft Kaut-Bullinger war, plant René Benkos Signa einen Neubau. Doch der architektonische Entwurf stößt in der Stadtgestaltungskommission auf geteilte Reaktionen.

Von Sebastian Krass

Kritik an der Höhe des Hauses, Unbehagen über die deutlich erhöhte Geschossfläche, aber auch Lob für die Gestaltung der Fassade: Der Entwurf für den Neubau eines Büro- und Geschäftsgebäudes an der Rosenstraße, an der Stelle des aufgegebenen Schreibwarengeschäfts Kaut-Bullinger, ist in der Stadtgestaltungskommission auf geteilte Reaktionen gestoßen. "Warum muss das Haus einen Meter höher werden als im Bebauungsplan vorgeschrieben?", fragte der Architekt Piero Bruno (Berlin) am Dienstagabend in der Diskussion des Gremiums, das über bedeutende Bauvorhaben in der Stadt berät. FDP-Stadtrat Jörg Hoffmann kritisierte die überhöhte Traufe (also die Höhe vom Boden bis zur Unterkante des Dachs) als "optisch nicht gelungen". Das historische Nachbargebäude zur linken Seite, in dem sich eine Filiale der Metzgerei Vinzenz Murr befindet, werde dadurch "dominiert".

Die Architektin Birgit Rapp (Amsterdam) hingegen sprach von der "Stadt der gewachsenen Häuser", sie habe mit der Höhe kein Problem und sehe in dem Entwurf insgesamt "ein kohärentes Bild". Da zuerst solche freundlichen Töne zu hören waren, sah es aus, als würde die Kommission das Konzept des Münchner Büros Holger Meyer Architektur durchwinken. Letztlich ordnete sie aber doch eine Überarbeitung zur Wiedervorlage an.

Nachdem die Betreiberfamilie von Kaut-Bullinger beschlossen hatte, das Geschäft aufzugeben, verkaufte sie das Grundstück vor zwei Jahren für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag an die Signa-Gruppe des Österreichers René Benko, die über die vergangenen Jahre einen erheblichen Einfluss auf die Entwicklung der Innenstadt gewonnen hat. Sie setzt auf dem bisherigen Karstadt-Areal entlang der Schützenstraße und in der Alten Akademie an der Neuhauser Straße schon große Bauprojekte im Herzen der Stadt um und betreibt zudem das Galeria-Kaufhaus (früher Kaufhof) am Marienplatz, in unmittelbarer Nachbarschaft zum einstigen Kaut-Bullinger.

Das Neubauprojekt, bei dem die drei Untergeschosse erhalten bleiben sollen, war bereits im Bezirksausschuss (BA) Altstadt-Lehel auf einhellige Ablehnung gestoßen. BA-Mitglied Peter Hörauf (Grüne) bekräftigte diese "massiven Bedenken" in der Stadtgestaltungskommission. Zwar habe der Entwurf "architektonische Qualität". Allerdings befürchte man einen "Präzedenzfall", weil sich die Geschossfläche, also die in dieser Lage zu Höchstpreisen vermarktbaren Flächen, um 36 Prozent auf 4200 Quadratmeter erhöhen würde. "Wir tun uns damit keinen Gefallen", sagte auch Linken-Stadträtin Brigitte Wolf. Das könne Begehrlichkeiten wecken, wenn etwa eines Tages das Kaufhaus-Grundstück nebenan überplant werden sollte.

Cornelius Mager, Chef der Lokalbaukommission (LBK), die für Baugenehmigungen zuständig ist, verwies allerdings darauf, dass die erhöhte Geschossfläche auch durch den Ausbau der Dachgeschosse nach hinten entstehe und baurechtlich wohl zulässig sei, ebenso wie die Erhöhung der Geschosszahl unterhalb des Dachs von vier auf fünf.

In der Debatte um die um einen Meter überhöhte Traufe zur Rosenstraße hin erklärte Architekt Meyer, man sei dazu quasi gezwungen. Da man ein Geschoss mehr habe unterbringen müssen, seien die Bürogeschosse in den Etagen zwei bis vier mit 3,35 Metern schon "extrem gedrückt". Das erste Obergeschoss ist mit einer Höhe von 3,95 Metern geplant, weil offen bleiben soll, ob es als Büro oder als Ladenfläche genutzt werden soll, letztere bräuchte mehr Raumhöhe.

Stadträtin Wolf regte an, das erste Obergeschoss abzusenken und zur Bürofläche zu machen, um so die Gebäudehöhe zu reduzieren. Dem wiederum hielt Meyer entgegen, man habe "architektonisch für dieses besondere Geschoss gekämpft, weil wir es für das Stadtbild wichtig finden. Wenn wir das als Büro verschließen, wäre das ein Verlust für den Stadtraum". Dennoch wird sein Büro nun einen entsprechenden Entwurf vorlegen müssen, über den die Kommission dann entscheidet.

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