Süddeutsche Zeitung

Altstadt:Ein Aussichtsturm auf Stelzen

  • Die Investoren präsentieren ihre Pläne für den Georg-Kronawitter-Platz (früher: Sattlerplatz) mitten in der Altstadt.
  • Autos soll es hier keine mehr geben, dafür viel Platz für Fußgänger und 150 Fahrradständer.
  • Drei neue Gebäude sind geplant: Eines soll auf Stelzen stehen und 29 Meter hoch werden - was für die Altstadt ungewöhnlich viel wäre.

Von Renate Winkler-Schlang

Eine jahrelange Baustelle, eine umgekrempelte Verkehrslenkung und am Ende, frühestens wohl 2024, eine neue Fußgängerzone mit Biergarten und aus einem neuen Turm ein guter Blick auf das Herz der Stadt: Das ist es, was die Bewohner des Hackenviertels demnächst erwartet, wenn der frühere Sattlerplatz - heute Georg-Kronawitter-Platz - völlig neu gestaltet wird.

Die Anwohner wurden jetzt bei einer Informationsveranstaltung des Bezirksausschusses Altstadt-Lehel auf dieses Großprojekt eingestimmt. Vertreter des Planungsreferats und der künftigen Bauherren Hirmer und Inselkammer überhäuften sie im Wappensaal des Hofbräuhauses mit Informationen und hübschen Illustrationen. Auch der Bezirksausschuss musste das alles erst einmal sacken lassen, der Vorsitzende Wolfgang Neumer (CSU) erklärte, der Planungsausschuss des Gremiums werde sich nun in Ruhe mit dem Projekt befassen. Den Bürgern versprach er, bei Bedarf weitere Versammlungen zu dem Vorhaben zu organisieren.

Man sei "noch ganz am Anfang des Prozesses", sagte Abteilungsleiterin Monika Weidner vom Planungsreferat: Präsentiert werde der "städtebauliche Masterplan", über den vor dem Sommer der Stadtrat abstimmen werde. Entsprechend werde der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan aktualisiert. Es werde für die beiden Bauten, die anstelle der Post und des Parkhauses kommen, Wettbewerbe geben. Danach erst erfolge der endgültige Beschluss und erst dann werde die Parkhausfläche, die derzeit noch der Stadt gehört, an die Familie Hirmer gehen. Der Rest gehört bereits der Familie Inselkammer.

Alle Autos sollen unter die Erde, der Platz zum Hain mit Bäumen werden

Dennoch kam der Masterplan wie ein fix und fertiges Konzept daher. Monika Weidner und Architekt Ulrich Hamann vom Londoner Büro Norman Foster erklärten die Grundzüge und betonten die Vorteile. Am wichtigsten: Alle Autos kommen unter die Erde. Um für die vom Stadtrat gewollte neue Fußgängerzone ausreichend Fläche zu haben, werde das zentrale neue Gebäude auf vier Stelzen errichtet, der geplante Hain aus Linden, Ahornbäumen oder Ulmen solle sich quasi durchs Erdgeschoss des eigens schlanker vorgesehenen Neubaus ziehen.

Das anstelle der Post geplante neue Hotel mit etwa 150 Zimmern könnte zum Platz hin Arkaden bekommen, was die Aufenthaltsfläche ebenfalls vergrößern würde. Weil so aber den Bauherren wertvolle Quadratmeter verloren gehen, wollen sie vor allem mit dem neuen Solitär weiter in den Himmel wachsen, als es der Denkmalschutz gutheißt. Bisher gelte 22 Meter als Richtmaß in der Innenstadt, so Weidner. Hier sprechen die Investoren von bis zu 29 Metern.

Der Architekt aber pries die Möglichkeiten einer öffentlichen Dachterrasse mit Alpenblick, die hier mal weder zu einer Kirche noch zu einem Luxushotel gehören würde. Die beiden neuen Gebäude am Rand müssten sich architektonisch entsprechend zurücknehmen. Hamann, der voraussichtlich ohne Wettbewerb Architekt für das mittlere Gebäude werden wird, erklärte, er wolle etwas schaffen, "wovon alle Münchner etwas haben".

Der Wunsch der Denkmalschützer, sich ans historische Raster Münchens zu halten, sei schwierig. Schließlich habe es hier früher auch nie einen Platz gegeben. Nun müsse so oder so eine "Art Zellerneuerung" stattfinden. Der kleine Platz werde ein neuer "Ankerpunkt" sein können. An seinem Rand zum Färbergraben hin könnte man mit einem Wasserlauf den unterirdischen Bach wiederbeleben. Die drei Gebäude sollen alles beinhalten, was Stadt lebendig macht: Läden, Gastronomie, Wohnungen - und nicht nur solche im Luxussegment.

Ein Bürger aber sprach angesichts des abgerundeten Klötzchens in dem Holzmodell von einem "Rundling", der ihm nun gar nicht gefalle. Hamann sagte, das Klötzchen sei ein Platzhalter - es gebe ja noch keinen endgültigen Entwurf.

Ein wichtiger Aspekt des Masterplans ist die Tiefgarage, die sich unter allen drei Gebäuden und dem gesamten Platz vier Stockwerke tief "wie ein riesiger unterirdischer Betontanker" ausnehmen werde. Sie bekommt nach den heutigen Vorstellungen eine für alle zentrale Einfahrt im neuen Hirmer-Haus. Und sie dient in ihrer obersten Ebene auch als unterirdische Erschließung für die Tiefgaragen von C & A und Kaufhof an der Fürstenfelder Straße, denn nur so kann auch diese Straße in die neue Fußgängerzone integriert werden. Die Radler sollen über den Platz fahren dürfen. 150 Radständer sind vorgesehen.

Die Stadt hofft auf eine Entlastung des Viertels vom Verkehr

Der autofreie Bereich und die zentrale Einfahrt haben natürlich Auswirkungen auf die Verkehrsführung im gesamten Hackenviertel. Verkehrsplaner Tobias Steurer aus dem städtischen Planungsreferat stellte den Bürgern langfristig generell eher Entlastung in Aussicht, denn mit dem Abriss des bestehenden Parkhauses würden viele öffentliche Plätze und damit viele Fahrten entfallen. Etwa in der Herzog-Wilhelm- oder der Damenstiftstraße müsste man die Einbahnrichtung drehen, damit niemand ganz abgehängt werde.

Mehr belastet würde in dem auf einem Gutachten von Harald Kurzak beruhenden Vorschlag die enge Hotterstraße. Hier haben die Planer eines Morgens um sechs eigens einen Versuch mit einem Mülllaster gemacht. Ein Foto zeigte: Hat offenbar gerade so gepasst. Die Bürger hatten Zweifel, ob ein großer Wagen die Kurve um die alte Wirtschaft Hundskugel herum wirklich kriegen kann. Sie forderten, die Neuerungen schon vor Beginn der Baustellenphase auszuprobieren und einem Stresstest im Vorweihnachtstrubel auszusetzen.

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SZ vom 25.03.2019/kast
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