Altenpflege:Wie Münchner Altenheime nach Fachkräften suchen

Altenpflege: Dennis Brown liebt seinen neuen Beruf. Der Kontakt mit den Bewohnern, die Gespräche mit ihnen, das erfüllt ihn.

Dennis Brown liebt seinen neuen Beruf. Der Kontakt mit den Bewohnern, die Gespräche mit ihnen, das erfüllt ihn.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • In München arbeiten nach seinen Angaben 7650 Menschen in der Altenpflege, 3650 von ihnen sind Pflegefachhelfer.
  • Dennoch suchen die Träger der Altenheime dringend nach Fachkräften.
  • Die Arbeitsagentur unterstützt eine einschlägige Weiterbildung.

Von Kathrin Aldenhoff

Es ist das falsche Bier. "Möchten Sie ein Beck's?", hatte Pfleger Dennis Brown die alte Dame im Rollstuhl gefragt. Sie guckt die Flasche an, schüttelt den Kopf. "Lieber Augustiner", sagt sie. Dennis Brown lacht, verschwindet mit dem verschmähten Bier und kommt zurück mit einer Flasche Augustiner. Die Dame nickt, Dennis Brown gießt ihr ein Glas ein. Hinter den beiden sitzen andere Bewohner des Altenheims im Kreis, zur Bewegungsübung vor dem Mittagessen, strecken die Arme in die Höhe, wiegen sich hin und her.

Dennis Brown hat in seinem Leben schon als Feuerwehrmann gearbeitet, hat Lernspiele für Kinder und Senioren entwickelt, Kleidung verkauft und Passagiere am Flughafen kontrolliert. Jetzt kontrolliert er, ob in allen Badezimmern auf der Station des Altenheims noch genug Schaumseife ist, wechselt bei einem Bewohner das Handtuch, guckt, ob beim Mittagessen alle an ihrem Platz sitzen. "Wenn ich nach acht Stunden nach Hause gehe, weiß ich, ich habe etwas Sinnstiftendes gemacht, sagt der 49-Jährige aus Chicago.

Dennis Brown ist Pflegefachhelfer in der Senioreneinrichtung Tertianum. Er hatte vor etwas mehr als einem Jahr die einjährige Ausbildung begonnen, weil er immer wieder vom Fachkräftemangel in der Pflege gelesen hatte. Und nun macht er noch eine Ausbildung, dieses Mal zur Pflegefachkraft. Er lernt, welche Medikamente Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes nehmen, welche Wechselwirkungen Arzneimittel haben. Wie ein künstlicher Darmausgang gepflegt und gereinigt wird, wie eine Infusion gelegt wird, Wunden versorgt werden.

Die Träger der Altenheime in München spüren den Fachkräftemangel, sie sind ständig auf der Suche nach Pflegefachkräften, werben sie aus dem Ausland an und beschäftigen Mitarbeiter über Zeitarbeitsfirmen. Sie würden sie gerne fest anstellen, aber viele wollen sich nicht festlegen, sagt Siegfried Benker, Geschäftsführer des Münchenstift, das in der Stadt 13 Häuser für Senioren führt. "Wir suchen immer, die ganze Zeit, nach Pflegefachkräften", sagt er. Sie zahlen sogar eine Prämie, wenn jemand einen Pfleger vermittelt. "Das ist ein Markt geworden." Unternehmen haben sich darauf spezialisiert, Fachkräfte zu vermitteln. Dafür eine Gebühr zu zahlen, lohne sich. "Wenn wir ein Bett nicht belegen können, ist das ein größerer Verlust."

Noch haben sie genug Personal, um die Fachkraftquote zu erfüllen, in allen Häusern des Münchenstift seien alle Betten belegt, sagt Benker. Auch, weil das Münchenstift ausbilde, 65 bis 70 Pflegefachkräfte im Jahr, außerdem 20 Pflegefachhelfer und 20 weitere in einer Klasse für Geflüchtete. Die gibt es seit 2016.

Ein Weg, mehr Fachkräfte zu gewinnen, ist es, wenn sich Pflegefachhelfer wie Dennis Brown weiterbilden. Zwei bis drei Jahre dauert es bis zur Pflegefachkraft, die Agentur für Arbeit übernimmt die Weiterbildungs- und die Lohnkosten. Die Helfer verdienen während ihrer Ausbildung genauso viel wie vorher. Und hinterher, als Fachkraft, mehr. Grundlage für die Förderung der Arbeitsagentur ist das Qualifizierungschancengesetz der Bundesregierung.

Beim Münchenstift nehmen nur wenige das Angebot zur Weiterbildung an, sagt Benker. "Nicht alle wollen noch mal zur Schule gehen." Und der Schritt zur Pflegefachkraft sei durchaus anspruchsvoll.

Nur wenige Fachkräfte sind arbeitslos

Insgesamt machen im Moment 272 Münchner so eine geförderte Weiterbildung. "Es ist wichtig, dass die Arbeitgeber gut auf das Potenzial ihrer Mitarbeiter achten, sich um die Bildung und Weiterqualifizierung kümmern", sagt Wilfried Hüntelmann, Chef der Münchner Agentur für Arbeit. In München arbeiten nach seinen Angaben 7650 Menschen in der Altenpflege, 3650 von ihnen sind Pflegefachhelfer, haben also eine einjährige Ausbildung gemacht. Sie gelten nicht als Fachkräfte. Nur 32 Pflegefachkräfte seien in München derzeit arbeitslos gemeldet - "das ist nichts", sagt Hüntelmann. "Wir versuchen, mehr Menschen für einen Quereinstieg in die Altenpflege zu gewinnen."

Abwechslungsreich, sinnstiftend und absolut krisensicher - so beschreibt er die Jobs in der Altenpflege. Und doch gibt es zu wenige, die diesen Job machen wollen. Bei der Arbeiterwohlfahrt kommt es immer wieder vor, dass freie Plätze in den Münchner Altenheimen nicht vergeben werden können - weil die Fachkräfte fehlen und die Quote sonst nicht eingehalten würde, sagt eine Sprecherin. "Wir investieren viel Geld in Werbung, Ausbildung und Qualifizierung, um so Fachpersonal zu gewinnen." Und doch gelinge es nur in sehr wenigen Einrichtungen, die zusätzlichen Stellen für Pfleger, die das Gesetz zur Stärkung des Pflegepersonals des Bundesgesundheitsministeriums finanziert, zu besetzen. Das Programm der Agentur für Arbeit sei ein kleiner Baustein von vielen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Altenpflege: Auch Ivan Scepanovic möchte nicht mehr zurück in seinen alten Job.

Auch Ivan Scepanovic möchte nicht mehr zurück in seinen alten Job.

(Foto: Stephan Rumpf)

In den 26 Altenheimen der Caritas nehmen 60 Mitarbeiter an dem Programm der Arbeitsagentur teil und lassen sich weiterbilden. Das Programm sei sehr gut, sagt Doris Schneider, die Geschäftsführerin der Caritas-Altenheime. Auch die Caritas bildet selbst aus, und auch sie rekrutiert Pfleger aus dem Ausland, vor allem von den Philippinen.

Gute Mitarbeiter finden - das ist auch für Matthias Schiertz, den Chef von Dennis Brown, ein großes Thema. Er leitet den stationären Pflegedienst im Tertianum und hat Dennis Brown überzeugt, wieder eine Ausbildung zu machen. "Wir haben überwiegend Quereinsteiger. Es ist von Vorteil, wenn die Menschen im Leben stehen und ihre Erfahrungen mitbringen", sagt Schiertz.

Im Tertianum gibt es nicht nur eine stationäre Pflege. Senioren, die ein eigenständiges Leben führen, leben dort in 105 Wohnungen zur Miete. Für sie gibt es den ambulanten Pflegedienst. Bei Bedarf kommt zum Beispiel Ivan Scepanovic mit seiner grünen Tasche und dem iPad mit der Aufgabenliste für seine Patienten vorbei und gibt Medikamente, hilft beim Essen oder beim Anziehen. Auch Ivan Scepanovic ist ein Quereinsteiger. In seiner Heimat Serbien arbeitete er als Grafikdesigner. "Ich saß den ganzen Tag am PC. Hier bewege ich mich, habe viel Kontakt zu den Bewohnern, das gefällt mir."

Als Ivan Scepanovic mit seiner Frau nach Deutschland kam, machte er eine Ausbildung zum Pflegefachhelfer. Und seit einigen Monaten ist der 42-Jährige wieder Auszubildender, in eineinhalb Jahren wird er Pfleger sein. Eigentlich könnte er es sich nicht leisten, in seinem Alter noch eine Ausbildung zu machen. Möglich sei das nur, sagt er, weil er mit der Förderung der Agentur für Arbeit als Auszubildender genau so viel verdient wie vorher als Pflegehelfer.

Ivan Scepanovic sagt, er würde nicht mehr im Büro arbeiten wollen. Und Dennis Brown sagt, er habe in der Pflege alter Menschen seine Berufung gefunden. Ihren Engel, so hat ihn eine Patientin neulich genannt. Er weiß inzwischen, welcher Bewohner seinen Kaffee mit Zucker trinkt, wer mit Milch und wer einen Schuss heißes Wasser dazu möchte. Er weiß, dass der Herr aus dem Zimmer vorne links die Sachen aus der Reinigung gerne selbst in seinen Schrank räumt. Und seit kurzem weiß er nun auch, dass die Dame im Rollstuhl am liebsten Augustiner trinkt.

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