Allach/Untermenzing:Panzer im Rückwärtsgang

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Die Teststrecke an der Ludwigsfelder Straße soll weniger genutzt werden als seit 2004 zulässig. Die angekündigte Eigenbeschränkung des Rüstungskonzerns Krauss-Maffei Wegmann ruft im Viertel Misstrauen hervor. Anwohner fordern, die Anlage nach und nach ganz stillzulegen

Von Anita Naujokat, Allach/Untermenzing

Ein Antrag und viele Fragen: Krauss-Maffei Wegmann GmbH & Co. KG (KMW) hat Ende 2017 mit späteren Modifizierungen beantragt, die seit 1964 bestehende Panzer-Teststrecke an der Ludwigsfelder Straße immissionsschutzrechtlich nach den neuesten Bestimmungen zu genehmigen. Anwohner vor allem aus der Waldkolonie und der Trinklsiedlung appellierten in der Sitzung des Bezirksausschusses (BA) am Dienstagabend an die Politiker und die Zuständigen aus dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU), die Anlage schrittweise zurückzubauen und ganz stillzulegen. Es sei "unvorstellbar" und "untragbar", dass es in einem Stadtviertel der Landeshauptstadt eine Versuchsstrecke für schwere Kettenfahrzeuge gebe. Der Lärm für die Anwohner sei unerträglich.

Laut der Präsentation von Christian Heindl, Leiter der Immissionsschutzbehörde im RGU, an diesem Abend enthält der Antrag weniger Testrunden und eine geringere Nutzungsdauer als seit 2004 zulässig. Nach der jetzigen Lage könnten die Testfahrer täglich 117 Runden drehen, tatsächlich seien es 76, künftig wären es 65. Die Nutzung innerhalb der Betriebszeiten reduziere sich von vier möglichen, 2,5 in der Praxis auf 2,1 Stunden pro Tag. Auch gebe es wie bisher irrtümlich diskutiert keine Ausweitung der Betriebszeiten. Diese bestünden schon seit 16 Jahren montags bis einschließlich samstags von 7 bis 20 Uhr.

Doch gerade die eigene Beschränkung des Rüstungskonzerns ruft bei Anwohnern und BA-Mitgliedern Misstrauen hervor. Was bezweckt KMW mit dem Neuantrag wirklich? Anwohner kritisierten, dass viele der eingereichten Lärm- und Abgas-Gutachten auf Rechenmodellen und Annahmen basierten. Da passiere also ein Panzer mit Tempo 30 die 1000 Meter lange Teststrecke in zwei Minuten, rechnete ein Anwohner vor. Aber Anfahrts-, Brems- und Überwindungsmanöver an Graben, Kurven und Hängen seien nicht berücksichtigt. Unverständnis herrschte bei den Anliegern auch darüber, dass es Gutachten im Auftrag von KMW seien, die Stadt aber selbst keine anstelle oder veranlasse. "Das ist so üblich, und es sind renommierte Büros", sagte Heindl.

Über die Motive für den Neuantrag konnte nur spekuliert werden. Der Konzern wird seine Pläne erst in der Juli-Sitzung des BA erläutern, die Einladung war zu spät eingetroffen. Der BA-Vorsitzende Pascal Fuckerieder (SPD) vermutet, dass KMW den Testbetrieb lieber ein bisschen herunterfährt, um auf einer rechtlich sichereren Seite zu stehen als mit mehr Rechten, aber auf einer weniger stabileren Basis, gerade was das Abgasproblem angehe. Kurt Braatz, Leiter der Unternehmenskommunikation bei Krauss-Maffei Wegmann, erklärte der SZ auf Anfrage, dass man sich mit dem Verfahren der aktuellen Rechtslage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes sowie der wachsenden Wohnbebauung in Allach anpassen wolle. Auch habe man intern eine Art Revision angestellt, die Realität mit dem Möglichen abgeglichen, und sich gefragt, was betrieblich notwendig sei an Testfahrten mit gewissen Fahrzeugklassen. Dass der Betrieb den vollen Rahmen ja nicht hätte ausschöpfen müssen, beantwortete Braatz mit der Sicherheit. "Unser Antrag hat das Ziel, den Betrieb der Teststrecke an die aktuellen Gegebenheiten anzupassen - sowohl was die Rechtslage, als auch unsere Erfordernisse und die Entwicklung des Stadtteils betrifft." Dazu muss man erwähnen, dass es nicht nur die alteingesessene Waldkolonie und die Trinklsiedlung gibt, sondern benachbart auf dem Diamalt- und dem Noch-Gewerbegebiet Kirschgelände neuer Wohnungsbau entsteht und entstehen soll. Für den BA ist noch vieles offen, wie die Lichteinwirkungen auf angrenzende naturgeschützte Gebiete oder Kumulationsfaktoren etwa durch den Verkehr der Ludwigsfelder Straße. Deshalb hat er eine Fristverlängerung zur Stellungnahme beantragt. Das RGU macht jedoch keinen Hehl daraus, dass es sich bei der Entscheidung um eine gebundene handle, der Antrag also genehmigt werden müsse, wenn die rechtlichen Voraussetzungen dazu vorliegen. Noch bis 6. Juli sind alle Unterlagen online auf der RGU-Website oder in der Behörde einsehbar, bis 6. August sind Einwendungen möglich. Der Erörterungstermin ist voraussichtlich im September.

© SZ vom 18.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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