Süddeutsche Zeitung

Marcus Buschmüller ist tot:Abschied vom Verfassungsschützer

Marcus Buschmüller galt als bester Kenner rechtsextremer Umtriebe in München. Er hat das Archiv "Aida" aufgebaut, jahrzehntelang geprägt - und geriet dafür ins Visier der Staatsregierung. Im Alter von 58 Jahren ist er gestorben.

Von Bernd Kastner

Er hat gelacht, damals, auf die Frage, wie es ihm gehe. Es war ein bitteres Lachen. Marcus Buschmüller galt vor gut zehn Jahren der Staatsregierung als Linksextremist, der bayerische Verfassungsschutz hatte es auf das Dokumentationsarchiv Aida abgesehen und auch auf dessen Vorsitzenden. "Man gewöhnt sich daran", sagte Buschmüller 2011 in einem SZ-Interview zu dieser absurden Einstufung als Verfassungsfeind, es war sarkastisch gemeint. "Ich und der Verein versuchen einfach weiterzumachen." Und wie sie weitergemacht haben.

Sie gewannen vor Gericht gegen den Freistaat, und spätestens seitdem ist Aida die zivilgesellschaftliche Institution im Kampf gegen Rechts, bundesweit anerkannt ob des enormen Wissens seiner Aktiven, mit Buschmüller als entscheidendem Motor und Organisator. Dieser Kampf gegen rechtsextreme Umtriebe muss jetzt ohne Marcus Buschmüller weitergehen. Er ist am Donnerstag gestorben, nach schwerer Krankheit. Er wurde 58 Jahre alt.

1989 gründete Buschmüller mit ein paar Mitstreitern Aida, das Antifaschistische Informations- und Dokumentationsarchiv. Es wurde zum Dreh- und Angelpunkt des Engagements in München gegen Neonazis, Rechtsradikale, Islamhasser und zuletzt auch sogenannte Querdenker. Um den Verein aus der linken Szene wuchs in den vergangenen Jahren ein Netzwerk, das auch im bürgerlichen Lager anerkannt ist: Die Fachinformationsstelle Rechtsextremismus (Firm), bei der Buschmüller angestellt war; die städtische Fachstelle für Demokratie im Rathaus; der Verein Before, der sich um Opfer rechter Gewalt kümmert. Und bundesweit ist da noch NSU-Watch, für das Aktivisten nicht nur die NSU-Verhandlungen beobachteten, sondern seither viele weitere Prozesse im Auge haben. Im Hintergrund immer dabei und mitunter auch im Vordergrund: Marcus Buschmüller, das lebende Lexikon.

Nach dem rechtsextremen Oktoberfestattentat verteilte er Handzettel

Es war das Oktoberfestattentat, das ihn prägte. An jenem Abend 1980 war er selbst auf der Wiesn, ein paar Minuten nach der Detonation kam er zum Anschlagsort, 17 war er damals. Fortan beschäftigte er sich mit der Ideologie der Rechten, erzählte Buschmüller später, und im Jahr darauf verteilte er in Bierzelten Handzettel, auf denen das Datum des Anschlags stand, dazu ein Kreuz und: "Prost." Man dürfe das Datum nicht vergessen. Das kam nicht so gut in den Zelten, aber das war Buschmüller egal.

Es war seine "Sturm und Drang-Zeit", wie er seine Jugend selbst nannte. Er schloss sich Antifa-Gruppen an, protestierte gegen die Startbahn West in Frankfurt, beteiligte sich an einer Hausbesetzung und zog ins Hüttendorf nach Wackersdorf, wo die Wiederaufbereitungsanlage am Entstehen war. In diese Zeit fielen zwei Verurteilungen, recht harmlose Sachen, aber der Verfassungsschutz instrumentalisierte sie Jahre später, um ihn als linksextrem abzustempeln. In Wahrheit haben wenige Münchner Demokratie und Verfassung so geschützt wie eben dieser Marcus Buschmüller.

Die Arbeit für Aida machte er in seiner Freizeit, Geld verdiente er, der privat so gerne verreiste, lange Zeit in einem Reisebüro. Von 2009 an musste er seine Kraft in den Abwehrkampf gegen die Staatsregierung stecken. Nach jahrelangem juristischem Ringen musste der Verfassungsschutz Aida aus seinen Berichten nachträglich löschen.

Siegfried Benker, einst Fraktionschef der Grünen im Rathaus, heute Münchenstift-Chef, hat das juristische Scharmützel damals aus nächster Nähe verfolgt. Nicht nur, weil es seine 2015 verstorbene Frau Angelika Lex war, die als Anwältin für Aida vor Gericht obsiegte. Sondern auch, weil er sich Hand in Hand mit Buschmüller engagierte. "Wir verlieren den besten Kenner der rechtsextremen Verbindungen in München", sagt Benker. "Das Bemerkenswerte war die Kontinuität", mit der der Aida-Gründer beim Thema geblieben sei, "und dass er sein Gesicht gezeigt hat."

Öffentlich Gesicht zeigen ist nicht ungefährlich, wenn man zu Neonazis und anderen Rechten recherchiert, die Szene ist gewaltbereit. "Ab und zu schaue ich mich um auf der Straße", erzählte Buschmüller einmal. Sein vielleicht engster Kompagnon weiß, dass Vorsicht nötig ist: "Da muss man viel aushalten", sagt Robert Andreasch. Sie besuchten und beobachteten unzählige rechte Veranstaltungen zusammen und waren auch befreundet. Sie hatten Spaß miteinander, trotz des Themas, erzählt Andreasch. "Er war unbeirrbar", sagt er über Buschmüller, den er auch als "Dickkopf" erlebt habe. "Er hat sein Ding durchgezogen." Aida ohne Buschmüller sei für ihn "unvorstellbar", sagt Andreasch. Und doch, die Arbeit im Archiv werde weitergehen, da sei er sich sicher. Dank Marcus Buschmüller. "Er hat es so aufgestellt, dass Aida ungefährdet ist."

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