Bei der Demonstration "Don't Forget Afghanistan" am Samstag wurde jeder persönlich begrüßt, so überschaubar war die Gruppe. "Hallo Friedrich, wir sind leider nur ein kleines Häuflein heute", sagte Asylanwältin Gisela Seidler zu ihrem Bekannten. Erst kamen nur 20 Protestierende, dann folgten ein paar Nachzügler, sodass sie insgesamt 50 blieben. "Wenn das Wetter schöner wäre, wären viele gekommen", sagte Jassin Akhlaqi von "Jugendliche ohne Grenzen". Zumindest hofft er das. Als vergangenen August die Taliban Afghanistan einnahmen, kamen rund 800 Menschen zu den Demonstrationen, die er mitorganisierte. Damals sprachen alle über Afghanistan. Jetzt nicht mehr.

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Aber deshalb demonstrieren sie ja. "Wir dürfen die Menschen in Afghanistan nicht vergessen", sagte Jassin Akhlaqi in seiner Rede. Er sprach von den Helferinnen und Helfern der Bundeswehr, die in ständiger Angst leben. Von afghanischen Schulen, in denen Bildung durch radikal-islamische Propaganda ersetzt wurde. Von Armut und Hunger. Die Demonstranten kritisierten die Afghanistan-Politik der Bundesregierung, richteten sich insbesondere an SPD und Grüne. Treffpunkt der Demonstration war das Parteibüro der Grünen in Haidhausen, die Gruppe lief von dort über Rosenheimer Straße und Gärtnerplatz zur Parteizentrale der SPD am Oberanger.
Robin Esterer vom Münchner Flüchtlingsrat sagte in seiner Rede: "Die Grünen sind angetreten mit dem Wahlversprechen, sich um Afghanistan zu kümmern." Aber noch immer sei der Prozess, bis Afghaninnen und Afghanen in Deutschland aufgenommen werden, viel zu lang und kompliziert. "Es wurden bereits Fälle bekannt, die eine Aufnahmezusage hatten, aber durch die Taliban ermordet wurden, während sie in den bürokratischen Prozessen festhingen", sagte er. "Es darf nicht passieren, dass aufgrund der schrecklichen Situation in der Ukraine Geflüchtete gegeneinander ausgespielt werden."
Während der kleine Demonstrationszug durch München zog, verbreitete sich im Internet eine Meldung aus Afghanistan: Die Taliban haben angeordnet, dass Frauen ab jetzt ihr Gesicht in der Öffentlichkeit verhüllen müssen. Ansonsten droht ihnen eine Strafe.