Münchner Familie in Afghanistan:"Wir sind hier und werden vergessen"

Lesezeit: 1 min

Viele afghanische Bürgerinnen und Bürger wollen ihre Heimat so schnell es geht verlassen. Auch eine Münchner Familie, die sich derzeit in Kabul aufhält, wartet noch auf ihre Ausreise. (Foto: AFP)

Eine Münchner Familie wartet bisher vergeblich darauf, aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen zu werden. Zunächst hatte die Bundesregierung mitgeteilt, nur die Kinder mit deutschem Pass dürften zurück in ihre Heimat.

Von Bernd Kastner

Auch am Mittwoch haben drei Münchner, eine Mutter und zwei ihrer Kinder, in der afghanischen Hauptstadt Kabul weiter auf ihre Ausreise gewartet. Das berichten Unterstützer, die mit der Familie in Kontakt stehen, darunter die Grünen-Politikerin Jamila Schäfer. Die Familie sei noch immer nicht aufs Flughafengelände gelassen worden.

Nach Schäfers Information hätten US-Soldaten am Nord-Tor des Flughafens den Münchnern bisher den Zutritt verweigert, offenbar funktioniere die Kommunikation mit den deutschen Behörden nicht. Entkräftet vom Warten seien die Münchner am Mittwochnachmittag ins Haus ihrer Angehörigen in Kabul zurückgekehrt, um sich auszuruhen.

ExklusivFlucht aus Afghanistan
:Wie Bürokratie das Ausfliegen von Ortskräften verhinderte

Bereits für den 25. Juni hatte das Verteidigungsministerium zwei Charterflugzeuge organisiert, um bis zu 300 Bundeswehr-Helfer und ihre Angehörigen aus Masar-i-Scharif zu retten. Doch die Flüge wurden wieder storniert.

Von Mike Szymanski

Das Schicksal der Familie ist so bemerkenswert, weil die beiden Kinder, zwölf und 19, einen deutschen Pass haben, ihre Mutter aber nur eine Niederlassungserlaubnis für Deutschland. Die drei hätten laut Schäfer zunächst von der Bundesregierung die Auskunft bekommen, dass nur die Kinder ausgeflogen würden. Immerhin, so Schäfer, habe das Auswärtige Amt mittlerweile versichert, dass auch die Mutter mitfliegen dürfe. In München leben auch der Ehemann und ein weiteres Kind, auch sie sind deutsche Staatsbürger.

Aus dem Auswärtigen Amt hieß es auf SZ-Anfrage, man fliege generell auch Mitglieder einer Kernfamilie aus, die nicht Deutsche seien. Wie die ursprüngliche Information zustande kam, bleibt ungeklärt. Schäfer berichtet, dass ihr die 19-jährige Tochter die dramatische Lage am Flughafenzaun schildere, etwa in Sprachnachrichten, auf denen im Hintergrund Schüsse und Schreie zu hören seien. Für die Menschen am Flughafenzaun stelle sich immer wieder die Frage, wo sie sich nachts aufhalten sollen. Am Airport übernachten oder zurück in die von den Taliban kontrollierte Stadt? Ohne Begleitung ihres Mannes sei es für die Frau sehr gefährlich. "Angst, Verzweiflung und Wut" - so beschreibt Schäfer die Gefühle der drei Münchner.

© SZ vom 19.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusAfghanistan
:"Das könnte auch ich sein"

Zahra Lalzad kam 2011 mit ihrer Familie aus Afghanistan nach Bayern. Ein Gespräch über Trauer, Hilflosigkeit und darüber, was es bedeutet, dem Schicksal vieler afghanischer Mädchen und Frauen entgangen zu sein.

Interview von Sarah Höger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: