Süddeutsche Zeitung

Erster Virus-Fall in Deutschland:Münchner Affenpocken-Patient reiste aus dem Ausland ein

Der 26-jährige Brasilianer hielt sich bereits einige Tage in München auf, als er Symptome bemerkte. Die Gesundheitsbehörden ermitteln seine Kontaktpersonen.

Von Stephan Handel

Der deutschlandweit erste Fall einer Infektion mit dem Affenpocken-Virus ist in München festgestellt worden: Ein 26-jähriger Brasilianer wird seit Freitag im Schwabinger Klinikum isoliert und behandelt. Der Mann war laut Klinik über Portugal und Spanien nach Deutschland gereist und hatte sich zunächst in Düsseldorf und Frankfurt aufgehalten, bevor er vor mehreren Tagen nach München kam.

Hier hatte er wohl selbst Symptome bemerkt: Schluckbeschwerden und erhöhte Temperatur. Daraufhin war er zum Arzt gegangen, der einen PCR-Test im Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in Milbertshofen veranlasste. Der Test bestätigte die Infektion, der Patient wurde nach Schwabing gebracht. Dort wird er in einem Schleusenzimmer versorgt.

Dieses ist unter anderem durch Unterdruck vom restlichen Klinikbetrieb getrennt. Eine spezielle Medikation ist laut Klinik momentan nicht erforderlich, allerdings wurde vorsorglich ein Spezialpräparat beschafft, das seit Anfang 2022 in der EU zugelassen ist.

Clemens Wendtner, der Chefarzt der Schwabinger Infektiologie, lobte seinen Patienten: "Dem jungen Mann geht es gut - er hat sich sehr verantwortungsbewusst direkt nach Symptombeginn in medizinische Betreuung begeben, um andere vor einer Infektion zu schützen. Deshalb ist er auch weiter bei uns untergebracht, da wir von einer drei bis vier Wochen andauernden Infektiosität ausgehen."

Die Mikrobiologen der Bundeswehr weisen darauf hin, dass das Virus nicht sehr leicht von Mensch zu Mensch übertragen wird - wenn doch, dann geschieht das meistens durch engen Hautkontakt. In Europa ist der Erreger bislang in Großbritannien, Portugal, Spanien, Italien, Frankreich und Belgien festgestellt worden. Noch sei nicht bekannt, ob ein Zusammenhang zwischen den einzelnen Fällen besteht und wenn ja, welcher. Die Wissenschaftler schreiben, dass bei den bisherigen Fällen auffällig viele Männer betroffen seien, die Sex mit Männern hatten. Nach Einschätzung des Sanitätsdienstes der Bundeswehr handelt es sich um den bislang größten und weitreichendsten Ausbruch von Affenpocken in Europa.

Münchens Gesundheitsreferentin Beatrix Zurek (SPD) erklärte: "Nach Kenntnis des Verdachtsfalls haben wir umgehend Kontakt zu dem Betroffenen und Ermittlungen zu engen Kontaktpersonen aufgenommen sowie weitere Maßnahmen wie die Isolierung des Erkrankten veranlasst." Die bayerische Staatsregierung in Person von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) gab an, nicht nur die Taskforce Infektiologie des Landesamts für Gesundheit (LGL) in den Fall mit einbezogen zu haben, auch alle bayerischen Gesundheitsämter sollten noch am Freitag informiert werden.

Christian Weidner, Präsident des LGL, teilte mit: "Insbesondere medizinisches Personal sollte beim Kontakt mit Verdachtsfällen oder Infizierten die gängigen Schutzmaßnahmen gegen Tröpfchen- und Schmierinfektionen einhalten. Bei einer Ansteckung mit dem Affenpockenvirus kann es sieben bis 21 Tage dauern, bis erste Symptome auftreten. Betroffene leiden dann an Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, zudem können Schwellungen der Lymphknoten und ein großflächiger Hautausschlag dazukommen. Die Hautveränderungen beginnen üblicherweise im Gesicht, ähneln einem Pockenausschlag und breiten sich dann weiter am Körper aus."

Die Ansteckungsgefahr ist viel kleiner als beim Coronavirus

Im Schwabinger Klinikum wurde vor mehr als zwei Jahren auch der erste deutsche Covid-19-Patient behandelt, er kam von einem Autozulieferer in Stockdorf, der erste deutsche Corona-Herd. Mittlerweile wurden in allen vier Häusern der München Klinik etwa 3700 Patienten versorgt, in den Spitzenzeiten mehr als 200 gleichzeitig, davon ein Drittel auf den Intensivstationen. Zum Schutz von Patienten und Mitarbeitern kamen mehr als 570 000 PCR-Tests zum Einsatz.

Die Ansteckungsrate beim Affenpocken-Virus, darauf weisen die Ärzte hin, ist sehr viel geringer als bei Corona, zudem ist der Krankheitsverlauf im Normalfall viel leichter. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in Berlin: "Es war nur eine Frage der Zeit, bis Affenpocken auch in Deutschland nachgewiesen werden. Aufgrund der bisher vorliegenden Erkenntnisse gehen wir davon aus, dass das Virus nicht so leicht übertragbar ist und dass dieser Ausbruch eingegrenzt werden kann. Das kann aber nur gelingen, wenn schnell gehandelt wird." Lauterbach zufolge soll nun geprüft werden, ob es sich um eine ansteckendere Variante des seltenen Virus handelt. Die Viruserkrankung tritt hauptsächlich in West- und Zentralafrika auf und nur sehr selten andernorts, was die gegenwärtigen Ausbrüche ungewöhnlich macht.

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