Es klingt wie Zauberei. Und vermutlich haben es die Menschen in der Antike auch so empfunden. Oder wie lässt sich erklären, dass wertvolle Metallobjekte sich bei der Berührung nicht abnutzen, sondern im Gegenteil wie durch Geisterhand ihren Glanz erneuern. Das heißt: Ihre geheimnisvolle, tief violette bis fast schwarze Farbe.
Die Rede ist von Objekten aus Corinthium Aes, „korinthischem Erz“, wie klassische Autoren wie Plutarch oder Plinius d. Ä. das Material, oder genauer, die Legierung genannt haben. Die Bezeichnung geht auf eine auch von Plutarch übermittelte Legende zurück, wonach das Erz bei der Zerstörung von Korinth durch das Verschmelzen von Kupfer, Gold und Silber entstand. Dabei kannten das Material bereits die alten Ägypter.

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Das erklärt nun auch, warum sich derzeit das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst in München unter dem Titel „Corinthium Aes. Das Geheimnis des schwarzen Kupfers“ mit diesem Zauberstoff befasst. Schwarzes Kupfer oder in deren Sprache: „Hemty kem“, so haben die Ägypter das magische Erz genannt, das sie für die Herstellung kostbarer Kultgegenstände und Götterfiguren verwendeten. Genau solche wertvollen Objekte und Figuren gibt es in München auch zu sehen. Viele davon stammen aus dem Ägyptischen Museum in Berlin, denn von dort wurde die Ausstellung übernommen. Ergänzt wurden sie durch ein eindrückliches Krummschwert aus Palästina aus der hauseigenen Sammlung. Und dann kommen noch weitere Objekte aus Wien und vor allem Fürth dazu.
Letztere sind aber nicht wie die anderen vor mehr als 2000 oder fast 4000, sondern erst in den vergangenen Jahren entstanden. Gemacht hat sie Matthias Lehr, ein Nürnberger Goldschmied, der seit 1996 mit Corinthium Aes experimentiert. Davor? Galt das Wissen über dessen Herstellung jahrhundertelang als verschollen. Wie Lehr es zurückerlangte? Nun, er bekam noch als Student an der Nürnberger Kunstakademie von der Archäo-Metallurgin Alessandra Giumlia-Mair die Einladung, gemeinsam mit ihr ein Forschungsteam zu gründen. Sie ergründeten antike, meist bewusst im Obskuren bleibende Texte und verglichen diese mit Rezepturen aus Japan. Denn dorthin war die geheime Herstellungstechnik unter dem Namen Shakudo gelangt.

Von da an brauchte es trotzdem noch viel Arbeit und Mühe, wie man in der Ausstellung, im lesenswerten Katalog oder auch auf Lehrs Webseite www.corinthiumaes.com erfährt. Dort findet man auch die Links zu Youtube-Videos, in denen der Goldschmied die Herstellung eines Ringes und eines Frosches, eines „gelb gebändertem Baumkletterers“ aus schwarzem Kupfer zeigt. Genau dieser schwarzgoldene Frosch ist in der Ausstellung zu sehen. Genauso wie mehrere Ringe, Schalen, ein Boot mit Fährmann, ein Salamander oder ein goldiges, kleines Krokodil, die Lehr fast alle für den Fürther Sammler Karel Zemann geschaffen hat. Dieser hat die Experimente mit dem schwarzen Kupfer in den vergangenen Jahren großzügig gesponsert.
In der Ausstellung gehen Lehrs Objekte einen faszinierenden Dialog mit ihren ägyptischen Vorbildern ein. Wie etwa der Kultstatuette eines Krokodils aus dem Mittleren Reich aus der Zeit um 1850 vor Christus mit ihrem geometrischen Rückenmuster und gefühlt schelmischen Lachen, mit dem es neben Lehrs Krokodil in der Vitrine sitzt. Oder der Beterstatue des Chonsumeh aus der dritten Zwischenzeit mit ihrem kunstvoll gelegten Schurz und zarten Gravuren. Oder dem erwähnten Krummschwert mit seiner ungewöhnlichen Mittelrippenverzierung und den filigranen Blütenmustern. In einer Vitrine werden zudem Werkzeuge für die Tauschierung gezeigt. Gemeint ist damit die Veredelung durch Gold- und Silbereinlagen, wie man sie auch beim Krummschwert findet.

Was nochmal die Legierung angeht: Diese bestand früher meist aus Kupfer, Silber, Gold und winzigen Mengen Arsen oder Blei. Statt Arsen verwendet Lehr heute Zinn. Ansonsten können bei der Gewichtung bereits einzelne Prozent die Farbe verändern. Und was deren Regeneration betrifft: Diese wird durch den Handschweiß bewirkt. Lehr war es übrigens selbst, der das Corinthium Aes als Thema für eine Ausstellung vorschlug, die in München im „Cubus“ gezeigt wird. Einem neuen Kabinett, das ursprünglich als Medienraum gedacht war und sich hier als perfekt für diese sehr konzentrierte, zauberhafte Schau erweist.
Corinthium Aes. Das Geheimnis des schwarzen Kupfers, bis 14. September 2025, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, www.smaek.de

