Vorweihnachtszeit:Früher war mehr Lametta

Gähnende Leere statt weihnachtlicher Trubel von der Innenstadt bis zum Flughafen: Die Vorweihnachtszeit im Corona-Jahr.

Gähnende Leere statt weihnachtlicher Trubel von der Innenstadt bis zum Flughafen: Die Vorweihnachtszeit im Corona-Jahr.

Normalerweise verwandelt sich die Stadt im Advent an vielen Stellen in ein buntes heimeliges Dorf mit Feuerzangenbowlen-Zauber, Almhütten und Eisflächen. Doch in diesem Jahr sieht München meist aus wie immer - nur verlassener.

Von Dominik Hutter

Von wegen dörflich-alpin. Der Stachus liegt da wie ein ganz normaler Großstadtplatz: Die silbernen Pilzkappen des abgedrehten Brunnens stehen auf der weiten Steinfläche, ein paar Leute mit Masken haben es sich auf den Pollern bequem gemacht. Auf der anderen Seite der Sonnenstraße dreht sich die runde MAN-Werbedose in luftiger Höhe über dem Pini-Haus, die Kuppel des Justizpalasts sorgt für neobarocke Pracht. Normalerweise steht hier um diese Jahreszeit eine Holzkonstruktion, die eher an eine Alm im Zillertal erinnert als an einen zentralen Platz in einer Eineinhalb-Millionen-Stadt: der Eiszauber. Eine große glatte Fläche zum Schlittschuhlaufen, dazu eine Ansammlung von Imbissbuden im Jodler-Stil. Griabig, würde der Bergfex sagen. Verkauft werden Würstel, Steaks und vor allem natürlich Glühwein. Hoch die Tassen!

Und jetzt? Ist der Stachus einfach nur der Stachus. So wie die Theresienwiese ohne Winter-Tollwood einfach nur die Theresienwiese ist. Am Marienplatz steht immerhin der lichtergeschmückte Weihnachtsbaum aus Steingaden, ein auffallend schönes Exemplar. Und zumindest ein Hauch dessen, wie es immer war. Rund um die Mariensäule ist es zwar trotz Corona nicht vollkommen leer - von dem sonst üblichen Gewimmel rund um die ebenfalls recht dörflich daherkommenden Hütten des Christkindlmarkts ist der Marienplatz aber weit entfernt. Stadt, nicht verzaubert glitzerndes Alpendorf. Weihnachten verbinden viele mit einer Heimeligkeit, die einer Großstadt an den allermeisten Ecken abgeht. Nicht einmal mehr in ein bayerisches Wirtshaus einkehren kann man. Im Alten Hackerhaus werden statt Wammerl Corona-Tests angeboten. Die Leute stehen Schlange davor. Komische Zeiten.

Inzwischen sind die Geschäfte geschlossen und längst auch die Glühweinstände, die der Fußgängerzone kurz zumindest einen Mini-Weihnachtscharakter verpasst haben. Die ganz große Alkohol-Tanke wurde gar nicht erst aufgebaut: die Feuerzangenbowle im Hof des Isartors, an der man sich eine Tasse der wahlweise lecker-euphorisierenden bis - nach ausgiebigerem Genuss - ruinösen Rotwein-Rum-Variante einflößen konnte. Der Hof ist jetzt, nun ja, leer.

Am kleinen Stephansplatz, direkt am Alten Südfriedhof gelegen, fehlt das weihnachtstypische Rosa. "Pink Christmas" wird hier in pandemiefreien Jahren gefeiert, und diese Farbe wird sonst auch überall per Scheinwerfer hin projiziert, das Spektakel ist normalerweise schon von Weitem zu erkennen. Ohne den queeren Weihnachtsmarkt ist der Stephansplatz einfach eine unscheinbare und wenig beachtete Steinfläche. Der Brunnen ist unter einer Holzverschalung verschwunden. Über einer Betonwand hängt eine vermeintlich achtlos weggeworfene Matratze. Ein Kunstwerk.

Apropos Kunstwerk: Wer den "Lichtweg" von Keith Sonnier am Flughafen bewundern will, muss sich auf unbestimmte Zeit vertagen. Das Terminal 1 ist aufgrund temporärer Nutzlosigkeit geschlossen, für den verbliebenen Flugverkehr reicht Terminal 2. Hier herrscht wirklich Leere. Auch der hiesige, ebenfalls recht dörflich wirkende Weihnachtsmarkt, der ein grandioses Kontrastprogramm zur futuristischen Helmut-Jahn-Architektur des Airport-Centers bietet, ist 2020 in den Depots geblieben.

Es ist aber nicht so, dass überall nur irgendetwas fehlt. Ein abendlicher Spaziergang rund um die Pinakotheken ist ja ganz allgemein keine schlechte Idee. Jetzt aber lassen sich dort außerdem noch geheimnisvoll leuchtende Welt- und sonstige Kugeln auf einer dunklen Wiese bewundern. Die Fassade der Pinakothek der Moderne ist zur Leinwand mutiert, dort tauchen einige der Bilder auf, die gerade einsam hinter den Fassaden der umstehenden Ausstellungsbauten im Dunklen hängen. Die Lichtinstallationen eines Teams rund um die Künstlerin Betty Mü sind noch bis Mitte Februar zu sehen.

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