Wer über gute Kontakte verfügt und direkt an der Quelle sitzt, darf bereits viele Tage vor dem offiziellen Start des Oktoberfestes frisch gezapftes Wiesnbier trinken. Dies geschieht in kleinem Kreise, versteckt hinter hoch getürmten Containern und Lastwagen-Parkplätzen im Osten der Stadt in Riem, dort wo die gigantischen Tanks, Sudhäuser und Gärkeller von Hofbräu München (HB) angesiedelt sind.
Im holzverkleideten Bierstüberl steht am Montagnachmittag ein Holzfass, das Finanzminister Albert Füracker routiniert zum Rednerpult umfunktioniert. Dass an dem CSU-Politiker auch irgendwie ein Kabarettist verloren gegangen ist, weiß man seit seinen ziemlich witzigen Reden, die er jährlich beim Maibockanstich im Hofbräuhaus im Herzen Münchens hält. Diesmal ist der Mann, dem quasi Hofbräu gehört, weil Münchens kleinste Brauerei hundertprozentiger Staatsbetrieb des Freistaats Bayern ist, ein Quäntchen ernster.
Gilt es doch Michael Möller, seit 25 Jahren Direktor des staatlichen Hofbräuhauses, einen sanften Vorgeschmack auf folgende Abschiedsfestivitäten zu geben, weil dieser Ende des Jahres auf eigenen Wunsch hin aufhört. „Er ist ja nicht nur Mitarbeiter und Führungskraft, sondern er ist zu Hofbräu selbst geworden. Manche fragen mich schon, ob ihm eigentlich die Brauerei gehört“, sagt Füracker. Möller bekommt nun einen großen Zapfschlegel mit Gravur als erstes Abschiedsgeschenk.
Von Januar an wird dann Jörg Lehmann den Schlegel bei HB in der Hand halten. Der habe zwar den Makel, in Berlin geboren zu sein, so der Minister. Aber immerhin ist Lehmann promovierter Brauerei-Ingenieur, derzeit Sprecher des Vorstands der Kulmbacher Brauerei – und offensichtlich sicher in Kleiderfragen. So trägt er zünftig Lederhose beim Anzapfen im Industriegelände.
Dass es laut Möller in seinem Job eine Riesenherausforderung gewesen sei, wie kontinuierlich der Bier- und Alkoholkonsum über die vergangenen drei Jahrzehnte in Deutschland abgenommen habe, gerät beim Anzapfen in den Hintergrund. „Ein ausgezeichneter Sud ist hier gelungen, mit angenehmer Malznote und sehr feinem Hopfen-Aroma“, sagt er. Dass allen das Bier auf der Wiesn schmeckt, fällt ja nicht vom Himmel. „Die Rohstoffe sind den Launen der Natur ausgesetzt, unterliegen starken Schwankungen, benötigen erfahrene Braumeister.“
Fast wie im Himmel wähnt sich da Nachfolger Lehmann. Sein Berufswunsch in der Abi-Zeitung habe „König von Bayern“ gelautet. „Das habe ich jetzt ja ein bisschen geschafft“, sagt er.

