Süddeutsche Zeitung

Bar "Ö eins":Auf einen Absacker zum Ösi

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Das "Ö eins" im Stemmerhof ist eine hübsche Stadtviertelkneipe - allerdings ist die Cocktailkarte besser sortiert als die Weinkarte.

Von Franz Kotteder

Zur Freizeitgestaltung in dieser Stadt gehört es, abends immer mal wieder "zum Italiener", "zum Griechen" und "zum Türken" zu gehen, seltsamerweise aber nie "zum Österreicher" oder "zum Ösi". Möglicherweise liegt das daran, dass der Nachbar aus dem Alpenraum irgendwie halt doch zur Familie gehört, und kein Münchner sagt, dass er "zum Bayern" gehe, wenn er das Hofbräuhaus aufsuchen möchte.

Trotzdem ist es aber ungewöhnlich, dass der Wirt und gebürtige Steirer Wolfgang Maierhofer ausgerechnet am Sendlinger Berg im Stemmerhof einen Ableger seines Schwabinger Lokals Ö eins aufgemacht hat: Schließlich fand hier 1705 die Sendlinger Mordweihnacht statt, bei der die Österreicher Hunderte Bauern aus dem bayerischen Oberland niedermetzelten. Das Schmied-von-Kochel-Denkmal gegenüber der Kirche kündet noch heute davon.

Die Sendlinger sind jedenfalls nicht nachtragend. Denn das Ö eins im Stemmerhof mit seinen gut 60 Plätzen drinnen (und weiteren 70 vor dem Haus) ist auch an wochentags gut gefüllt. Die Karte verspricht solide österreichische Hausmannskost vom Tafelspitz bis zum Kaiserschmarrn, es gibt ein "Hans-Moser-Menü" für günstige 10,90 Euro zur Happy-Hour-Zeit zwischen 17 und 18.30 Uhr. Die Qualität mögen Berufenere beurteilen, wir befinden uns hier schließlich in einer Kneipen- und Barkolumne.

Eine hübsche Stadtteilkneipe ist das Ö eins auf alle Fälle, das Publikum umfasst nahezu alle Altersstufen. Es geht aber auch als Bar durch, obwohl die Auswahl an (auch österreichischen!) Weinen an nahezu jedem anderen Ort in der Innenstadt größer sein dürfte. Dafür ist die Cocktailkarte sehr gut sortiert und auf keinen Fall überteuert. Der anständig gemixte Gimlet etwa kostet gerade mal 6,50 Euro. Da kann man nicht (hans)mosern.

Ach ja, bei unserem Besuch war das Bedienungspersonal - abgesehen vom Wirt - nur dann österreichisch, wenn man die k.-u.-k.-Monarchie zum Maßstab nimmt. Der Barkeeper hätte jedenfalls aus Viktor Orbáns Reich stammen können, die sehr freundliche Kellnerin kam deutlich hörbar aus Tschechien. An der Wand hängen rot-weiße Silhouettenporträts berühmter Künstler von Falco über Senta Berger bis Romy Schneider. Und auf die Frage, wen denn ein bestimmtes davon darstelle, antwortete sie nach einem kurzen Blick auf einen Spickzettel mit großer Emphase: "Ist sich Udo Jürgääns!"

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Quelle:
SZ vom 13.04.2018
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