Verhandlung in München:Dürfen günstige Abnehmspritzen beworben werden?

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Um an Abnehmspritzen zu kommen, sind die Hürden bei einer niederländischen Online-Apotheke nicht sehr hoch. (Foto: Iuliia Burmistrova/Getty Images)

Die Apothekenkammer lehnt das ab und klagt gegen eine niederländische Online-Apotheke, es geht um 180 000 Euro. Die Richterin findet deutliche Worte.

Von Susi Wimmer

Robbie Williams hat es getan, Kim Kardashian und Lotti Moss, Schwester von Supermodel Kate Moss: Sie setzten sich eine Abnehmspritze in die Bauchdecke, um ein paar Pfunde zu verlieren. Nahezu verheißungsvoll klingt da die Werbung einer niederländischen Online-Apotheke, die verspricht, dass man auf ihrer Website „Gewichtsverlust in nur wenigen Klicks kaufen“ könne. Also ohne Gang zum Arzt für ein Rezept und ohne Apotheke. Die Apothekenkammer Nordrhein fand die Werbung als zu dick aufgetragen, unzulässig und auch gefährlich – und zog mit einer Klage vor das Landgericht München I.

„Menschen neigen dazu, auch mal zu mogeln, wenn es keine Kontrolle gibt“, sagt Morton Douglas, der Anwalt der Apothekenkammer. Und tatsächlich wird einem das Bestellen der Abnehmspritze in den Niederlanden leicht gemacht: Nach Gutdünken kann man Gewicht und Größe eintippen, bestätigen, dass man kerngesund ist, und laut Anwalt Morton Douglas hat man die Bestätigung für den erfolgreichen Kauf des Medikaments schneller in seiner E-Mail, als man Abnehmspritze sagen kann.

Ein Selbstversuch: Die erfundenen Daten werden von einem kroatischen Arzt „beurteilt und ausgewertet“, heißt es beim Bestellvorgang. Der Arzt ist, wie eine Suchanfrage ergibt, Allgemeinmediziner und bei der Plattform DoktorABC, die ihre Nutzer mit Ärzten und Apotheken vernetzt, als „Telemedizin-Berater und Strategist“ geführt.

Wobei der Arzt ein echter Alleskönner zu sein scheint: Er wird als Experte bei Erektionsstörungen genauso angeführt wie bei Haarausfall oder Wechseljahresbeschwerden. Weitere Ärzte der Internetplattform sitzen in Portugal und Schweden. Sie stellen die Rezepte aus, die Online-Apotheke verschickt das Medikament und kassiert. Je nach Dosierung schwankt der monatliche Preis zwischen 600 und 780 Euro. Aber, so steht es in der Mail, die man beim Bestellvorgang erhält, es gibt ja noch ordentlich Rabatt.

Es geht um viel Geld – der Streitwert beträgt 180 000 Euro

Ob das Spritzen eines Diabetiker-Medikaments für Abnehmwillige gesund sein kann oder sogar gefährlich, steht auf einem anderen Blatt. Model Lotti Moss jedenfalls landete mit Dehydrierung und Krampfanfällen im Krankenhaus. Die Dosierung war – offenbar in Selbstmedikation – für ihr Körpergewicht zu hoch. Eine Studie über Langzeitfolgen des Medikaments gibt es bis dato nicht, Experten fürchten Auswirkungen auf die Bauchspeicheldrüse.

Selbst das niederländische Unternehmen führt im Internet an, dass sich der Besteller bewusst sein müsse, dass er etwa bei Unterfunktion nicht am Verkehr teilnehmen dürfe, dass er mit Übelkeit, Erbrechen und Schwindel zu rechnen habe. Aber, so erklärt Carsten Krüger, Anwalt der Beklagtenseite, der Nutzer werde auch aufmerksam gemacht, dass eine regelmäßige Überwachung und Nachsorge durch einen Arzt stattfinden sollte.

Was Richterin Monika Rhein als Vorsitzende der vierten Kammer für Handelssachen am Landgericht München I in die Waagschale der Justitia zu werfen hatte, war aber nicht das Geschäftsmodell der Online-Apotheke per se, sondern die Werbung. Die Firma hatte Mails verschickt, in denen mit Preisnachlässen auf die Online-Abnehmspritze geworben wurde. Die Apothekenkammer will eine einstweilige Verfügung erwirken, weil dies gegen das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Demzufolge dürften verschreibungspflichtige Medikamente nicht beworben werden, die auf Fernbehandlungen beruhen. Sie sieht auch die Apotheken aus dem Wettbewerb ausgeschlossen.

Richterin Rhein fand da in der Verhandlung deutliche Worte. Man könne online falsche Daten eingeben. Wenn aber ein dünner Mensch vor einem Arzt sitze, „der mal 300 Gramm abnehmen will, dem sagt der Arzt sofort: ‚Schleichen Sie sich!‘“

Eine Verhandlung zur Güte ergebe keinen Sinn, sagte Rhein, „es geht um viel Geld“. Der Streitwert wurde auf 180 000 Euro festgesetzt. Das Urteil soll am Rosenmontag verkündet werden. Der Faschingskrapfen ist da für Abnehmwillige ausgeschlossen.

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