Süddeutsche Zeitung

München:21 Bauherrn ziehen an einem Strang

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Auf dem Areal der früheren Prinz-Eugen-Kaserne entstehen etwa 1900 Wohnungen. Zudem werden aber auch Gäste-Apartments, Werkstätten, Gemeinschaftsräume und ein Mobilitätskonzept realisiert

Von Ulrike Steinbacher

Knapp zwei Dutzend Kräne recken ihre Arme in den Himmel über der Cosimastraße, einer schwenkt gerade ein Stück Betontreppe in den Rohbau, der einmal Nahversorger und Drogeriemarkt, Apotheke und Arztpraxen und dazu noch 142 Wohnungen beherbergen wird. Von den vier bis sechs Stockwerken dieses Riegelbaus, den die Prinz-Eugen-Karree GmbH & Co. KG in Oberföhring errichtet, ragen bisher Erdgeschoss und erste Etage aus dem Boden. Schräg gegenüber, wo das Seniorenwohnen der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern für 120 Bewohner entstehen wird, ist noch nicht einmal die Baugrube ausgehoben. Weiter hinten aber, am Ende der Ruth-Drexel-Straße, sind schon die ersten Mieter eingezogen. Davon zeugen acht Container voller zusammengepresster Umzugskartons. Die Ulucas, eine von 31 Familien in der Baugemeinschaft Prinz-Eugen-Park, bekamen am Dienstag auf dem Kies vor ihrem Haus von Stadtbaurätin Elisabeth Merk symbolisch ihren Wohnungsschlüssel überreicht. Nebenan bei der Terra Immobilien Danhuber GmbH ist sogar das Pflaster schon verlegt, in den Beeten blühen bunte Blumen. Der Postbote kämpft sich bereits täglich zu den Briefkästen durch, im ersten Stock flattert ein Deutschland-Fähnchen. Hier sieht der Prinz-Eugen-Park aus wie ein fertiges Wohngebiet.

In der Gegenrichtung ist er eine Großbaustelle: Bagger, Walzen, Kipper, Betonmischer, Radlader, Planierraupen - ein ganzer Fuhrpark bahnt sich mit Getöse seinen Weg zum richtigen Baufeld. Die Maschinen ziehen Wolken aus feinem Staub hinter sich her. Hydraulikpumpen jaulen, Presslufthämmer dröhnen, Kreissägen kreischen. Im Prinz-Eugen-Park sind 21 verschiedene Bauherrn am Werk, was auch erklärt, warum manche Projekte schon fertig sind und andere gerade erst begonnen werden. Unter anderem bauen die städtischen Wohnungsgesellschaften Gewofag und GWG, Genossenschaften wie Wogeno oder Baugemeinschaften wie "Der kleine Prinz", Bauträger und private Wohnungsunternehmen. Sie errichten auf einer Fläche von 30 Hektar auf dem ehemaligen Kasernengelände Eigentums- und Mietwohnungen in unterschiedlichen Preissegmenten, etwa 1900 insgesamt für 4500 Menschen. 600 dieser Wohnungen entstehen in Holzbauweise als ökologische Mustersiedlung. Auf den meisten der 15 Baufelder gruppieren zwei verschiedene Bauherren Punkthäuser, Atrium- und Zeilenbauten um einen gemeinsamen Hof.

So unterschiedlich die Interessen der einzelnen Bauherrn sein mögen, alle 21 haben sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Das ist ein Novum in München, selbst im Domagkpark in Schwabing-Freimann, der nach ähnlichen Prinzipien entstand, waren nicht alle bereit, so intensiv zu kooperieren. Es geht dem Konsortium darum, das neue Viertel von vornherein so anzulegen, dass die Bewohner daraus ein lebendiges Quartier machen können. Natalie Schaller von der Stattbau München GmbH, die zukunftsfähige Wohn- und Siedlungsprojekte konzipiert, zählt Beispiele auf: Es gibt 13 Apartments für Übernachtungsgäste, Dachgärten, Co-working-Spaces, Werkstätten und 20 Gemeinschaftsräume in unterschiedlichen Häusern. Sie wurden nach den Wünschen der Bewohner konzipiert, der eine ist für Yogagruppen besonders geeignet, ein anderer hat eine großzügige Küche, im nächsten lassen sich gut Kindergeburtstage feiern.

Zusammengebunden wird das alles über eine gemeinsame Buchungsplattform, wo die Bewohner sich das passende Angebot aussuchen können. Das gleiche gilt fürs Mobilitätskonzept des Quartiers, von dem Schallers Kollege Christian Stupka sicher ist, dass es die Zahl der Autofahrten pro Tag deutlich unter jene 9000 drücken wird, die im Verkehrsgutachten stehen und bei den Nachbarn Ängste auslösen. E-Bikes, Lastenräder, Car-Sharing, übertragbare Isarcards, Parkraummanagement sind Puzzlestückchen des Konzepts. "Dreh- und Angelpunkt" aller Angebote ist für Stupka, dass die Bewohner gut informiert werden und sich beteiligen.

"Herzstück" dieses Ansatzes ist die Quartierszentrale, die bis Ende 2019 am Maria-Nindl-Platz im Wogeno-Gebäude entsteht. Sie soll einerseits Treffpunkt und Nachbarschaftscafé werden, andererseits zentrale Anlaufstelle für Beratung und Concierge-Dienste, dazu Paket-, Verleih- und Mobilitätsstation. Den Betrieb übernimmt eine Quartiersgenossenschaft, die auch die Gemeinschaftsräume verwaltet, Dienstleistungen vermittelt und am Sonntag, 16. September, einen "Tag des offenen Quartiers" für alle Neugierigen organisiert. Kommende Woche findet die Gründungsversammlung statt, einen Namen gibt es schon: Anja Moschner, Mara Roth und Lisa Schäfer firmieren unter GeQo, Genossenschaft für Quartiersorganisation. Bis ihre Zentrale Ende 2019 steht, dürfen sie den Gemeinschaftsraum der Terra als Hauptquartier nutzen. Dort hinten ist ja schon alles fertig, sogar die Blumenbeete.

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Quelle:
SZ vom 20.06.2018
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