Seit mehr als einem Jahr hatten Münchner Fußballfans keine Möglichkeit, ausgiebig im und um ein Stadion herum zu feiern. Im Moment kann noch niemand sagen, wann es wieder soweit sein wird, doch die Vorfreude darauf erfährt schon jetzt einen erheblichen Dämpfer, vor allem unter Anhängern des Drittligisten TSV 1860 München: Am Dienstag behandelt der Kreisverwaltungsausschuss eine neue Stadion-Verordnung, die am Mittwoch dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt werden soll. Im Kern geht es darum, dass der Status eines so genannten Risikospiels, der bisher nur vor Partien mit besonderer Brisanz ausgerufen wurde, künftig immer gelten soll. Dass dabei der Begriff "Risikospiel" in der neuen Vorlage nicht mehr auftaucht, mache die Sache kaum besser, so Kritiker.
Das Kreisverwaltungsreferat (KVR) hält eine "Anpassung" der Verordnung für dringend nötig. Schon allein, weil seit der letzten Verabschiedung 2016 die Sechziger, der FC Bayern II und auch Türkgücü in die dritte Liga aufgestiegen seien. Damit sei das Fanaufkommen im und um das Grünwalder Stadion und damit auch Gefährdungslage viel höher einzuschätzen. Aktueller Anlass für die Verordnung sind aber die bevorstehenden EM-Spiele in der Fröttmaninger Arena.
TSV 1860 München:Intelligente Rennsemmel
Nach dem missglückten Versuch, sich bei St. Pauli und Venlo durchzusetzen, ist Mittelfeldspieler Richard Neudecker zu seinem Jugendverein Sechzig zurückkehrt - dort zählt er nun zu den wichtigsten Spielern der Erfolgsmannschaft.
Nun soll etwa das Mitbringen von nicht erlaubten Gegenständen wie links- oder rechtsextremistischen Spruchbändern sowie Pyrotechnik ins Stadion leichter bestraft werden können, ein Vermummungsverbot gelte dann immer. Allein für die künftigen Heimspiele des Drittligisten Türkgücü München im Olympiastadion gilt weiter die bestehende Verordnung des Olympiaparks.
Eine erste Version der Vorlage hatte schon im vergangenen Jahr Kritik ausgelöst. Jetzt wird bemängelt, dass in der überarbeiteten Version außer der Streichung des Wortes "Risikospiel" quasi nichts geändert worden sei. Auch das in der Zwischenzeit befragte Münchner Fanprojekt weist darauf hin, dass in der praktischen Umsetzung durch Ordnungsdienste und Polizei viele Grauzonen geschaffen würden, die polizeiliche Willkür ermöglichten, etwa bei Personenkontrollen. Ein Beispiel: Einem großen Fanmarsch, wie ihn die Sechzig-Anhänger traditionell vor jedem Heimspiel vom Candidplatz zum Grünwalder Stadion hinauf abhalten, war das Mitführen von Glasflaschen bei Risikospielen nicht erlaubt. Wenn nun das Mitführen von Glasflaschen generell verboten wird, kommt dies aber einem Biertrink-Verbot gleich - obwohl der KVR betont, dass kein generelles Alkoholverbot ausgesprochen werde. Entsprechend gebe es deshalb auch "keine Einschränkungen aufgrund der Verordnung für die umliegenden Kneipen und auch keine Einschränkungen zum Mitführen von Bier in Bechern".
Der FC Bayern sowie Türkgücü hatten keine Einwände gegen die Vorlage; 1860-Präsident Robert Reisinger allerdings befürchtet eine "Überregulierung". In den vergangenen Jahren war gerade den Sechzig-Fans oft ein friedliches, geradezu braves Verhalten bescheinigt worden. Jetzt die Maßnahmen zu verschärfen, so ein Mitarbeiter des Fanprojekts, würde das "fatale Signal" aussenden, dass sich gutes Benehmen gar nicht lohne.