Eine Dampflok pfeift. Die Streicher des Spring String Quartet setzen den Rhythmus, dann wird eine Lokomotive aus Papptafeln über die Bühne getragen. Im Hintergrund ein Schwarz-weiß-Foto des Münchner Hauptbahnhofs. So beginnt der Festakt zum 100-jährigen Bestehen des Deutschen Museums. Damals war zur Eröffnung Kaiser Wilhelm angereist. Diesmal ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier da. Und Zugbegleiterin Caro Matzko, die an diesem Montagmorgen die Zeitreise in die Vergangenheit moderiert, setzt mit einem Appell an die Freiheit der Wissenschaft den Ton.
Denn die werde, siehe USA, derzeit an viele Stellen wieder bedroht. Doch das Deutsche Museum stehe wie kein anderer Ort als Symbol für die Bedeutung von Naturwissenschaft und Technik. Es wolle Menschen für Bildung und den Glauben an eine bessere Zukunft begeistern.
Kaum einer kann das so gut wie Generaldirektor Wolfgang Heckl. Er begrüßt die Festgemeinde in bester Laune und dankt den vielen Unterstützern des Museums. Die Generalsanierung, die immer noch im Gange ist, wäre ohne die großzügige Förderung von Bund, Land und privaten Spendern nicht möglich gewesen, betont er.
Der einstige Forschungsminister Heinz Riesenhuber (CDU), 89, sitzt in der ersten Reihe. Er habe ihn, so Heckl, damals in seinem Garten in Frankfurt auf Herz und Nieren geprüft, ob er Museumsdirektor werden könne. Heckl, seit 2004 im Amt und kurz vor dem Ruhestand, hat längst bewiesen, dass er das Museum ganz im Sinne von dessen Gründer Oskar von Miller führt: als begnadeter Vermittler von Wissenschaft und als ebenso geschickter Geldeintreiber.

Steinmeier erinnert an die Aufbruchstimmung, die in den Goldenen Zwanzigern in Deutschland herrschte. Die junge Generation habe damals nach Krieg und Inflation an eine bessere Zukunft geglaubt. Und gehofft, in der jungen Demokratie mitentscheiden zu können. Diese Hoffnung sei durch die Nazis jäh zerstört worden.
Arthur Schönberg, engster Mitarbeiter Oskar von Millers, wurde verfolgt und ermordet. Heute, nach Atombombe, Giftmüllskandalen und dem Raubbau an der Natur stehe die Gesellschaft technologischem Fortschritt kritischer gegenüber. „Aber kritisches Bewusstsein darf nicht umschlagen in Technikangst“, mahnt der Bundespräsident. Es gehe darum, Technologie klug zu nutzen, zum Wohle aller.
Markus Söder (CSU) schickt eine Videobotschaft. Bayerns Ministerpräsident ist in Berlin, wo an diesem Montag der Koalitionsvertrag unterzeichnet wird. „Ein Rollentausch“ sei das – er in Berlin, Steinmeier in München –, diese Spitze an den Bundespräsidenten genießt er. Und betont seinen Beitrag zur Raumfahrt, indem er dafür in der neuen Regierung ein eigenes Ressort geschaffen habe.
Sein Forschungsminister Markus Blume (CSU) betont, die bayerische Regierung werde das Deutsche Museum weiter unterstützen. Auch das historische Bergwerk, das an diesem Vormittag mehrfach erwähnt wird – in Erinnerungen an Kindertage oder den ersten Kuss im dunklen Stollen. „Es gehört zur DNS des Hauses. Wir müssen nochmal nachdenken, wie wir es erhalten können“, sagt Blume.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) kann zwar nicht eine Mass Bier für jeden spendieren, wie die Stadt vor hundert Jahren. Aber auch er betont die Bedeutung des Deutschen Museums für München als „Welt- und Kulturstadt“.

Den größten Applaus erntet Luise Kinseher alias Mama Bavaria. Deren Schöpfer – der Erbauer der Bavaria auf der Theresienwiese – war der Erzbildhauer Ferdinand von Miller, „also mei’ Papa“. Oskar von Miller also quasi ihr kleiner Bruder. Und ihr Auftritt damit Ehrensache. An dieser Stelle wird eine riesige Bronzehand in den Saal geschoben. „Wenn Sie sich dazu noch meinen Körper vorstellen, können Sie sich ungefähr ein Bild von der bayerischen Bedeutung machen!“, richtet sich die Matrone an den Bundespräsidenten.
Sie hoffe nicht, den Ministerpräsidenten verschreckt zu haben, sagt sie, ihr Auftritt sei auch kein Nockherberg-Dejà-Vu. „Aber unser zweiter Kanzler wird halt in Berlin gebraucht.“ Er müsse die Rakete „Bavaria One“ voranbringen. Sie soll schneller starten als die zweite Stammstrecke der S-Bahn in München.
Ihr kleiner Bruder habe Bayern elektrifiziert und eine soziale Ader gehabt. Manche hätten damals gedacht, der Strom sei gesundheitsschädlich, „das geht auf die Gedärme und aufs Hirn – und es gab ja noch keinen Aluhut“. Dem Deutschen Museum habe man es jedenfalls zu verdanken, dass so viele Kinder zuerst Lokomotivführer und dann Astronaut werden wollten. „Und diese Kinder gäbe es gar nicht, wenn sich seinerzeit im Bergwerk nicht so manche Ehe angebahnt hätte.“
Ihr gebe das Hoffnung, „dass der roboterbetreute, KI-gesteuerte und genoptimierte Mensch der Zukunft nicht nur als Tourist auf den Mars fliegt, um sich dort mit einem Handtuch eine Liege für die Ewigkeit zu reservieren. Sondern dass er immer noch Fragen stellt, ins Deutsche Museum geht und dort eine Antwort findet.“