Wer in eine schönere Zukunft schauen will, sollte zwischenzeitlich auf der Homepage des Architekturbüros Auer Weber vorbeischauen. Das Büro hat den Neubau des Münchner Hauptbahnhofs entworfen. Es preist in schönster Werbeprosa den „repräsentativen, einladenden Stadteingang“ an, der dereinst hier zu erwarten ist. Als die Pläne 2004 vorgestellt wurden, titelte die Süddeutsche Zeitung „Ein Hauptbahnhof für das neue Jahrtausend“. Und weil man damals noch an Olympische Spiele im Jahr 2018 glaubte, sollte der Bau 2017 fertig sein.
Nun: Wie man aus Erfahrung weiß, sind Zeitangaben bei Großprojekten der Deutschen Bahn (DB), freundlich ausgedrückt, unverbindlich. Und so heißt es heute, der Bahnhof werde 2035 fertig, oder doch erst 2038, wer weiß das schon? „Vielleicht erst irgendwann“ wäre womöglich eine ehrlichere Angabe.
Seit 2019 wird gebaut, mit dem Abriss des alten Empfangsgebäudes ging es los. Seither ist es für Reisende eine Herausforderung, sich am Hauptbahnhof zurechtzufinden. Das geht schon in der Gleishalle los, die derzeit geprägt ist von hohen Bauzäunen. Hinter den Absperrungen stehen mehrere Meter hohe Stahlgestelle, auf denen ein großes Gerüst auf der gesamten Länge und Höhe des Querbahnsteigs errichtet wird. Hier entfernt die DB das 75 Jahre alte sogenannte MAN-Dach, um das Baufeld nach Westen erweitern zu können.

Denn nicht nur das Empfangsgebäude entsteht neu. Die DB baut den Hauptbahnhof fast komplett um. Für die zweite S-Bahn-Stammstrecke entsteht ein neuer Tiefbahnhof, außer dem Empfangsgebäude wird auch ein neuer Starnberger Flügelbahnhof an der Arnulfstraße errichtet und, im Auftrag der Stadt München, unter dem Bahnhof einen Rohbau für eine mögliche neue U-Bahn-Linie U9. „Integrierte Gesamtlösung“ nennt die DB das.
Entsprechend eng wird es in der Gleishalle, wenn volle Züge ankommen. Wer den Bahnhof Richtung Süden verlässt, sieht erst einmal: eine Baustelle. Hier entsteht ein temporärer Zugang zur U4 und der künftige Zugang zur möglichen U9. Der Taxistand ist weg, die Wagen stehen auf der anderen Seite der Bayerstraße. Im Norden sind die Taxistände in eine Nebenstraße der Arnulfstraße verlegt worden und sind seither für Ortsfremde, trotz der Beschilderung am Ausgang, nicht leicht zu finden.


Es ist deshalb oft von „Chaos“ am Hauptbahnhof die Rede – vom totalen Durcheinander. Wenigstens geht im Zwischengeschoss, zwischen Läden und Imbissständen, alles meistens seinen geordneten Gang, auch wenn viel los ist. Kein Einkaufszentrum Münchens ist zudem besser an den ÖPNV angebunden.
Für Radfahrer aber bleibt der Hauptbahnhof vorerst eine Geduldsprobe. Sie müssen noch einige Jahre darauf warten, bis sie ihre Gefährte wieder ordentlich abstellen können. 3000 Stellplätze fehlen etwa, bis es diese alle gibt, soll es 2038 werden. Derweil sind Hunderte Räder illegal am Zaun an der Tramstrecke in der Arnulfstraße festgekettet. Was aussieht wie eine Protestaktion von Radaktivisten, ist der schieren Parkplatznot geschuldet.
Und dann ist da auch noch die inzwischen berühmt-berüchtigte Rolltreppe zum Zwischengeschoss, die schon mehrmals ausgefallen ist und erneut seit vier Wochen stillsteht. Erst im Januar soll sie repariert sein, es fehlen immer noch Ersatzteile. Reisende müssen ihre Koffer derzeit nach unten schleppen, der Aufzug an der Arnulfstraße ist ebenfalls defekt. Dabei gäbe es im Freien ums Eck eine Rolltreppe abwärts, nur nutzt die kaum jemand.

Momentan ist der Hauptbahnhof von einem einladenden Stadteingang weit entfernt. Man kann dort zwar shoppen, dennoch erfüllt er vorwiegend seinen Zweck als Ort, an dem man ankommt und gleich wieder weg möchte. Mehr ist für die nächsten Jahre nicht zu erwarten.