MPU:Nach dem Depperltest zurück auf die Straße

MPU: Beim Reaktionstest kann man schon ins Schwitzen kommen.

Beim Reaktionstest kann man schon ins Schwitzen kommen.

(Foto: Robert Haas)
  • Bei der MPU geht es nicht um Intelligenz, sondern darum, wer für die Teilnahme am Straßenverkehr geeignet ist.
  • Gutachter prüfen das mit einem Reaktionstest und einem eingehenden Gespräch.
  • Vor Gericht wird derzeit verhandelt, ab wann alkoholisierte Autofahrer sich der Prozedur unterziehen müssen.

Von Günther Knoll

Ungeeignet - das Urteil wäre hart. Zum Glück ist das nach dem sogenannten Wiener Determinationstest nicht zu befürchten, denn nach gut fünf Minuten konzentriertem Knöpfchendrücken und Pedaltreten steht fest: Psychofunktional geeignet für den Führerschein. Die Testanordnung - ein nettes Spiel, denkt man, wenn man sie sieht.

Doch es ist ein Spiel, das es in sich hat: Auf einem Bildschirm leuchten verschiedene Farben auf, dafür sind auf einer Tastatur die entsprechenden Knöpfe zu drücken. Dazu ertönen zwei Töne, hoch und tief, auch dafür gibt es Tasten, eine graue und eine schwarze. Und schließlich blinken links und rechts auf dem Monitor noch graue Felder auf als Signal dafür, dass man das entsprechende Pedal unter dem Tisch treten soll.

Los geht's: Rot - Taste, grün - Taste. Aha, jetzt brummt es - schwarz oder grau? Und dann noch das ständige Pedaltreten. Hätte man doch vorher nur die Anweisung befolgt, diese Dinger genau passend unter dem Tisch herzurichten. Bequem ist was anderes. Vier Minuten Stress, vier Minuten volle Konzentration, man gerät ins Schwitzen und ist schließlich froh, wenn die Zeit um ist. Der anschließende Linienverfolgungstest auf dem Bildschirm ist dagegen fast schon erholsam.

Es geht nicht um Intelligenz, sondern um Rehabilitation

Das, was da soeben in der Münchner Avus-Niederlassung versuchsweise ablief, ist ein Teil der medizinisch-psychologischen Untersuchung, welche die Fachleute kurz MPU nennen, der Volksmund aber hartnäckig als Depperltest bezeichnet. Intelligenztests gehen anders, trotzdem - es ist es irgendwie beruhigend, dass alle Ergebnisse im grünen Bereich sind. Drei Kugeln, die es bei dieser Untersuchung angeblich aufeinanderzustellen gilt, werde man nicht finden, hatte Yvonne Muffert, die Leiterin der Begutachtungsstelle, gleich zur Begrüßung gesagt.

Die Diplompsychologin weiß, welche Gerüchte sich um die MPU ranken, und sie weiß auch, welche Ängste sie bei den Betroffenen auslöst. Muffert hat schon viele Untersuchungsgespräche geführt. Diese bilden zusammen mit der "computergestützten psychologischen Leistungsprüfung", wie der Wiener Determinationstest im Fachjargon heißt, und einer medizinischen Untersuchung die Grundlage für die Prognose, welche die Begutachtungsstelle am Ende stellt.

Die Psychologin sieht die Prüfung als Dienstleistung

Natürlich wünschen sich alle "Kunden", wie Muffert die Menschen nennt, die sich in der Avus-Niederlassung untersuchen lassen, dass diese Prognose positiv ausfällt. Denn damit wird der zuständigen Führerscheinstelle die Entscheidung leicht gemacht, die Fahrerlaubnis wieder zu erteilen. Eine negative Beurteilung schließt das vorerst aus. Und dann gibt es noch die Zwischenstufe, welche die Psychologin "Kursgutachten" nennt. Das bescheinigt dem Betreffenden, dass er auf dem richtigen Weg ist, aber noch an seinem Verhalten zu arbeiten habe.

Die Prüfung ist für Muffert eine "Dienstleistung", in der einzig zu beurteilen sei, ob der Proband wieder geeignet für die Fahrerlaubnis sei. Der kann sich das Ergebnis nach Hause schicken lassen und muss es der Behörde nicht mitteilen. Im negativen Fall kann er den Test also wiederholen. Auch anderswo, denn er kann die Begutachtungsstelle frei wählen. Außer der Avus gibt es solche Stellen in München beispielsweise beim TÜV und bei der Dekra.

Das Gutachten ist nicht alles

Das Gutachten sei zwar Voraussetzung, aber immer nur eine Grundlage für die Entscheidung der Behörde, betont Muffert. 91 536 MPUs gab es 2014 bundesweit, beim in München dafür zuständigen Kreisverwaltungsreferat waren es in den vergangenen Jahren zwischen 1200 und 1600.

Die Hälfte davon hat mit Alkohol am Steuer zu tun. Noch gilt in Bayern die 1,6-Promille-Grenze, wer drüber ist, verliert für sechs Monate den Führerschein und muss zur MPU, wenn er ihn wiederhaben will. Um diesen Wert zu erreichen, muss ein 80 Kilo schwerer Mann einiges trinken: gut acht Halbe Bier, oder 20 Schnäpse innerhalb weniger Stunden.

Weil es schon mit weit weniger Promille Probleme geben kann, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ein aufsehenerregendes Urteil gefällt. In dem Fall ging es um eine ältere Frau, die mit 1,28 Promille erwischt worden war. Sie war damit nicht nur den Führerschein los, die Behörde ordnete auch noch eine MPU an. Dagegen wehrte sich die Frau. Der VGH kam jedoch zu dem Schluss, dass im Grunde jeder, dem wegen Alkohol am Steuer - egal, mit wie viel Promille - richterlich der Führerschein entzogen wurde , ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorweisen muss, wenn er den Schein wiederhaben will. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, weil die Frau Revision eingelegt hat.

Flunkern fällt schnell auf

Zu der gefürchteten Untersuchung müssen aber auch Wiederholungstäter, deren Flensburger Konto acht Punkte aufweist. In der Statistikspalte "Verkehrsauffällige ohne Alkohol" stellen sie nur einen Bruchteil dar. Auch wer mit Drogen und Medikamenten am Steuer erwischt wird, ist fällig. Meist handelt es sich bei den Betroffenen um Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Yvonne Muffert könnte da einiges erzählen, doch es gilt die Schweigepflicht. In dem psychologischen Gespräch, das bis zu einer Stunde dauern kann und das den Schwerpunkt der Untersuchung bildet, wird den Probanden auf den Zahn gefühlt.

Grundsätzlich gehe es dabei darum, zu erkennen, ob jemand bereit sei, sein eigenes Verhalten zu ändern. Das müsse dem Gutachter deutlich gemacht werden, sagt die Diplompsychologin. Dem Mann, den wir im Untersuchungsgespräch mit ihr beobachten durften, ist das gelungen. Zuerst ein Unfall mit Alkohol, später hochgradig betrunken sogar in der Entgiftung gelandet, schließlich Entzug. Seitdem, so hatte er erzählt, rühre er keinen Alkohol mehr an.

Den Test so angenehm wie möglich machen

Anfangs hatten einige Antworten wie einstudiert gewirkt, doch mit gezielten Fragen hat Muffert ihn dazu gebracht, offen über sein Problem zu sprechen. Dabei müsse sie im Auge behalten, dass es in der MPU nicht um Persönlichkeitsdiagnostik gehe, sagt die Psychologin, sondern darum zu erkennen, ob der Gegenüber sein Verhalten so geändert hat, dass er geeignet sei, wieder Auto zu fahren.

"Eine MPU zu bestehen, ist die Kunst, sich dem Gutachter anzupassen" wirbt eines der Institute, die gezielte Vorbereitung versprechen. Ganz auszuschließen sei das nicht, weiß Muffert, doch im allgemeinen erkenne sie schnell, ob jemand ihr etwas vorflunkere. Und dann gibt es ja noch den medizinischen Test, zu dem auch kurzfristig anberaumte Abstinenzkontrollen mit Haar- und Urinproben gehören. Ein Vergnügen ist die Untersuchung nicht, doch die Avus versucht es den Probanden so angenehm wie möglich zu machen. Bundesweit liegt die Erfolgsquote bei 58 Prozent.

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