Moschee am Gotzinger Platz:Es kommt darauf an, wo man betet

Eine Frage der Würde: Nicht nur Muslime bedauern das Aus für die Moschee am Gotzinger Platz. Die Gegner aber zeigen sich zufrieden.

Monika Maier-Albang

Aynai Bekir hat am Dienstagmittag noch nichts vom Scheitern der Sendlinger Moscheepläne gehört, aber als er es erfährt, fallen Bekir rasch mögliche Schuldige ein: die bayerische Regierung! Die CSU? Nein, sagt sein Gegenüber, Mehmet Kücük, die waren es nicht, zumindest nicht direkt.

Der Kölner Dachverband des Münchner Ditim-Vereins habe das Projekt nicht mehr unterstützt, und die Türkei habe sich längst davon verabschiedet. So, so, sagt Herr Bekir, das passe ja zu dem Durcheinander in der Heimat, wo man bei der Regierung auch nie so recht wisse, woran man ist. Ein Traum ist zerplatzt. "Schade ist das für uns."

Man trifft die Männer in der Oberländerstraße an, in einem Geschäft, das "Dönergeräte und Ersatzteile" vertreibt. Kücük ist hier Vertriebsleiter, Bekir hat auf einen Tee vorbeigeschaut; eigentlich wohnt er in Berg am Laim, doch zum Gebet fährt er, wann immer er Zeit hat, bis nach Sendling in die Schanzenbachstraße. Weil er den Imam hier gut findet.

Nun sind beide Männer enttäuscht, "sehr sogar", sagt Kücük, wobei er der Meinung ist, dass das Projekt "kaputtgeredet" worden sei. Das Hin und Her seit Jahren, der Aufstand der Kritiker, die Klage - all das habe die Mitglieder von Ditim verunsichert, und für ein unsicheres Projekt spende man nun mal nicht gern. Dabei wäre sie so wichtig gewesen, diese neue Moschee, findet Kücük, egal ob hier in Sendling oder an einem anderen zentralen Platz in der Stadt. Denn er hat selbst schon einmal erlebt, welchen Unterschied es macht, wo man betet.

In Ebersberg, in den neunziger Jahren, stand Kücük der dortigen muslimischen Gemeinde vor, 30 Familien waren sie nur, selbst etwas zu bauen lag jenseits ihrer Kraft. Damals bat Kücük den Bürgermeister um Hilfe. Der rief die Pfarrer am Ort an. Die Protestanten nahmen sie schließlich auf, boten ihren leerstehenden Keller an. Drei Jahre waren sie dort, "eine tolle Zeit", erinnert sich Kücük.

Man lud die Christen zum Fastenbrechen ein, hatte einen wöchentlichen gemeinsamen Gesprächskreis. "Unsere Leute haben da viel übers Christentum gelernt." So unwissend seien sie doch oft, klagt der Muslim. Selbst sein Vater habe noch gedacht, dass es Sünde sei, wenn er eine Kirche betrete. Mit der neuen Moschee könnte es ähnlich sein wie damals in Ebersberg, hatte Kücük gehofft. Dass dort auf Augenhöhe ein Austausch stattfinden könnte, der den Deutschen mehr erklärt als " Türkeiurlaub und Döner-Essen".

Allerdings muss man nur ein paar Häuser weiter gehen, um Anwohner zu treffen, die froh sind, dass die Moschee nicht gebaut wird. Seinen Namen will das Ehepaar nicht in der Zeitung lesen. ("Sonst wird man noch erstochen".) Also nennen wir sie Eva und Horst Müller.

Die Parkplätze sind der Punkt, den beide als Erstes anführen. Zumal die Stadt gerade Parkscheinautomaten im Viertel aufgestellt hat, die am 1. März gültig werden. Ehepaar Müller hat ein Geschäft. Dass ihre Kunden kurz reinschauen, um was zu kaufen, ist dann vorbei, fürchten sie.

Als "deutsche Hure" beschimpft

Doch die Ablehnung geht tiefer. Eva Müller erzählt von Begegnungen im Geschäft, von türkischen Kindern, denen sie Bonbons geschenkt habe und die das Papier dann einfach vor den Eingang geworfen hätten - "und die Mutter hat's auch nicht aufgehoben". Von einem muslimischen Kunden, dem sie einen Kalender schenkte und der ihn ihr wieder zurückbrachte mit der Bemerkung, den wolle er nicht, da sei eine Kirche darauf abgebildet.

Und von dem Vorfall mit dem Müllmann. Türke auch er, vermutet Frau Müller. Eine Kundin wollte vor dem Laden parken, das Müllauto stand im Weg. Ob er es wegfahren könne, bat sie den Mann, woraufhin der sie als "deutsche Hure" beschimpft habe. So erzählte es die Kundin den Müllers, und die denken: "Die sind einfach anders als wir."

Dass Fehler gemacht werden, auf beiden Seiten, würde Andrea Borger, die evangelische Dekanin von Sendling, sicher nicht bestreiten. Genau deshalb haben die Sendlinger Kirchen mit den Ditim-Leuten schon lange der Ignoranz und der Unwissenheit den Kampf angesagt. Regelmäßig laden sie zu ökumenisch-muslimischen Gesprächsabenden ein. Mal geht es um den Paradies-Begriff, mal ums Pilgern. Mekka hier, Altötting dort.

Wobei es manchmal nicht leicht ist, zum Sprechen zu kommen, weil "die Störer", wie Borger sagt, auch die Termine kennen. Die sitzen dann da, eine Koran-Ausgabe auf dem Schoß, in dem jede Zeile unterstrichen ist, in der es ums Töten geht. "Das könnten wir mit der Bibel genauso machen", ärgert sich Borger. Mit ihrer "religiösen Bildungsarbeit" wollen sie weitermachen, auch wenn der Neubau nun nicht kommt.

Sie hätte den Muslimen die Moschee gegönnt, sagt Borger. Nicht nur weil es drüben in der Schanzenbachstraße so eng ist. Sondern weil die Muslime ein Bauwerk brauchen, "mit dem sie sich sehen lassen können, das die Schönheit ihrer religiösen Tradition ausdrückt". Das habe, sagt Borger, auch etwas mit Würde zu tun.

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