Er hat ein Faible für Lyrik - und fürs Fantastische. Ersteres hat der Autor und Ex- Titanic-Chefredakteur Moritz Hürtgen in seinem Gedichtband "Angst vor Lyrik" bewiesen, Elemente von beidem in seinem Debütroman "Der Boulevard des Schreckens" verwoben. Am 9. März liest er beim Festival Wortspiele im Ampere.
Montag: Beobachten und lernen
Ich bin erst vor kurzem nach München gezogen. Zuvor führte ich in Frankfurt als Redakteur beim Satiremagazin Titanic ein einigermaßen geregeltes Leben. Jetzt als freier Autor ohne Bürozeiten bin ich montags naturgemäß ratlos: Was stelle ich mit einer neuen Woche in München an? Ich glaube, ich fahre bereits am Vormittag nach Starnberg, setze mich in ein schönes Café mit Seeblick und beobachte, wie andere Privatiers ihre Zeit totschlagen. Von ihnen will ich Entspanntheit lernen. Wahrscheinlich muss ich irgendwann später über sie schreiben, denn ich habe finanziell leider noch nicht ausgesorgt. Das Leben ist hart!
Dienstag: Mit den Toten lachen
Für den Dienstag nehme ich mir einen Ausflug in die Maxvorstadt vor, wo ich vor gut zwölf Jahren zum Studium gelebt habe. Ich werde über den Alten Nordfriedhof schlendern und mir den neuen Cartoonband "Das schlechtestverkaufte Buch der Welt" von Hauck & Bauer anschauen, der in wenigen Tagen erscheint. Weil ich die Urheber persönlich kenne, habe ich schon ein Exemplar.
Mittwoch: Nieder mit dem Patriarchat
Heute ist Internationaler Frauentag oder Frauenkampftag, wie man in den linken Kreisen sagt, mit denen ich sympathisiere. Es ist eine Tradition auch in meiner kleinen Familie: Meine Frau legt ihre Lohnarbeit nieder, unsere Tochter lässt ihre Verpflichtungen im Kindergarten sausen und wir gehen gemeinsam demonstrieren. Gründe wie ungleiche Bezahlung, sexistische Diskriminierung und Gewalt gibt es ja leider selbst hier im fortschrittlichsten Freistaat der ganzen weiten Welt noch genug.
Donnerstag: Hoffnung auf 2000 Euro
Die "Wortspiele", ein Festival für junge Literatur, finden jährlich in Wien und in München statt. Von Mittwoch bis Freitag treten im Muffatwerk Autoren und Autorinnen, die wie ich gerade noch als "jung" durchgehen, mit ihren Büchern an; am Ende entscheidet eine Jury, wer 2000 Euro bekommt. Ich könnte das Geld für weitere Ausflüge an den Starnberger See (siehe Montag) gut gebrauchen und bin daher schon heiß auf meinen Auftritt am Donnerstag um 20.50 Uhr. Zum Besten geben werde ich eine explosive Textstelle aus meinem Roman "Der Boulevard des Schreckens".
Freitag: Die Pflicht ruft
Nach vier Werktagen Laissez-faire muss ich am Freitag mal "was tun": Ich arbeite zurzeit an meinem zweiten Roman und einige Fristen rücken bedrohlich näher. Was die meisten Schriftsteller in ihrer Eitelkeit nicht verraten: Einen Roman zu schreiben ist an sich keine große Sache, aber auf dem Weg zum fertigen Buch sämtliche Förderanträge pünktlich, vollständig und korrekt einzureichen, das ist die eigentliche Herausforderung. Hinter jeder federleicht erzählten Geschichte steckt ein bürokratischer Kraftakt der Extraklasse. Sollte ich am Abend noch aus dem Labyrinth an Excel-Dateien und PDFs herausfinden, gehe ich vielleicht noch ins Heppel & Ettlich, wo der Rapper Panik Panzer am Abend mit Martin Seeliger seine Autobiografie "Der beste Mensch der Welt" vorstellt.
Samstag: Heimweh
Mir gefällt's zwar gut an der Isar, aber so richtig bin ich noch nicht über Frankfurt hinweg. Wie gut, dass ich mit dem ICE in gut drei Stunden dorthin brausen kann. Und vom Hauptbahnhof in Frankfurt bin ich samstags in wenigen Minuten am Erzeugermarkt an der Konstablerwache, wo ich mich mit ein paar Apfelwein für den Spaziergang die Berger Straße hoch nach Bornheim stärken kann. Wenn ich mich von der herrlichen Szenerie im schönsten Frankfurter Viertel wieder losreißen kann, fahre ich abends zurück nach München. Und wenn ich doch bleiben will, lauere ich in der Gaststätte "Henscheid" den prominenten Frankfurter Satirikern auf, die hier regelmäßig verkehren, und schlürfe mit ihnen einen Teller grüne Soße. Übrigens: Nur noch bis zum 19. März ist die Ausstellung zum Ur-Satiremagazin "Pardon" im Caricatura-Museum zu sehen. Ich war im Herbst schon drin, allen anderen Besuchern Frankfurts sei sie dringend empfohlen.
Sonntag: Kindheitserinnerung
Man soll am Sonntag nichts Berichtenswertes machen, und ich plane, mich auch in dieser Woche daran zu halten. Wobei: Gibt es das Museum Mensch und Natur im Schloss Nymphenburg noch? Eine kurze Google-Recherche ergibt: ja! Ich bin im Landkreis München aufgewachsen und habe von früher wunderbare Erinnerungen an ein mit laut herumsausenden, hochvergnügten Kindern vollgestopftes Museum. Das wird meiner Tochter sicher gefallen! Und ich kann mich am Montag ja am Starnberger See erholen.
Moritz Hürtgen, geboren 1989, lebt als freier Autor für Zeitungen, Magazine und Fernsehen in München. Nach kurzem Studium ohne Abschluss hat er von 2013 bis 2022 beim Satiremagazin "Titanic" in Frankfurt am Main gearbeitet, die letzten vier Jahre davon als Chefredakteur. Er ist Verfasser eines Gedichtbandes ("Angst vor Lyrik", 2019) und eines Romans ("Der Boulevard des Schreckens", 2022). Beide Bücher erschienen im Kunstmann-Verlag .