Moritz Freiherr Knigge:"Jedem Menschen steht ein Gruß zu"

Freiherr Knigge trägt gutes Benehmen im Namen. Er weiß aus Erfahrung, wie man im stressigen Berufsverkehr freundlich bleibt, Kontakt aufnimmt, Konflikte vermeidet und wie man sich verhält, wenn es doch einmal Streit gibt

Interview von Korbinian Bauer und Isabella Escobedo

Eng, stickig, stressig - die Bedingungen im öffentlichen Nachverkehr sind nicht die besten für gute Manieren. Wie man sich trotzdem angemessen verhält, erklärt Moritz Freiherr Knigge.

SZ: Herr Knigge, Sie haben ein Buch mit dem Titel "Die Kunst des höflichen Reisens" geschrieben. Ist es denn wirklich ein Kunststück, sich im öffentlichen Nahverkehr höflich zu verhalten?

Moritz Freiherr Knigge: Ich empfinde das nicht als Kunststück. Jeder Mensch sollte in einem sozialen Gefüge respektvoll mit seinen Mitmenschen umgehen. Es ist also eigentlich eine Verantwortung, aber keine Kunst.

Warum reagieren Menschen in der U- oder S-Bahn oft gereizt?

Es sind wahrscheinlich schlicht die Umstände im Nahverkehr. Die Enge, die Zeitnot, das sind Bedingungen, die oft als stressig empfunden werden. Und leider ist es häufig so, dass Menschen in Stresssituationen unhöflich werden. Das wichtigste ist, sich dessen bewusst zu werden und alles ruhig zu sehen. Gelassenheit ist die Grundvoraussetzung für Höflichkeit.

Unterscheidet sich München da von anderen Großstädten?

Nein. Ich saß in München schon einmal in der U-Bahn, als alle Fußballfans auf dem Weg zum Stadion waren. Die Bahn war sehr voll und die Stimmung ausgelassen, aber nicht anders als die Züge in Berlin oder Hamburg bei einem Heimspiel.

Also keine regionalen Unterschiede?

Höchstens in der Art und Weise, wie die Menschen etwas kommentieren oder reagieren: Da können Münchner recht hart wirken. Ähnlich wie Berliner zum Beispiel. Ich habe das Gefühl, dass die Menschen im Rheinland etwas zugänglicher sind.

Moritz Freiherr Knigge: Nachfahre des Moralphilosophen: Moritz Freiherr Knigge.

Nachfahre des Moralphilosophen: Moritz Freiherr Knigge.

(Foto: Reto Duriet)

Haben Smartphones das Verhalten im Nahverkehr verändert?

Ich bin mir nicht sicher, ob die Folgen so krass sind. Früher hatte man die Zeitung des Nachbarn im Gesicht, heute gucken eben alle auf ihr Handy.

Folgendes Szenario: Eine Person steigt in die U-Bahn und hört laut Musik, eine andere fühlt sich dadurch gestört. Wer muss gehen?

Ich bin der Meinung, dass es nicht besonders höflich ist, laute Musik zu hören, wenn andere dadurch gestört werden. Wenn sich gleich mehrere Menschen belästigt fühlen, ist für mich eine Grenze überschritten, bei der man eingreifen darf.

Und wie kann man in einer solchen Situation reagieren ?

Es sollte nicht zu körperlicher Gewalt oder zu wirklich starken verbalen Ausfällen kommen, das halte ich nicht für angemessen. In diesem Fall sollte man die Beteiligten ruhig und höflich darauf aufmerksam machen, dass die Situation gerade aus dem Ruder läuft.

Was kann Sie denn so richtig verärgern, wenn Sie unterwegs sind?

Es kommt sehr darauf an, wie ich gerade drauf bin. Aber tatsächlich gehört eine Menge dazu, mich zu ärgern. Ich bin ein sehr gelassener Mensch. Auf einer Zugfahrt saß einmal eine Frau neben mir, die die ganze Zeit auf ihrem Handy herumtippte und dabei das Tastengeräusch anhatte, das war ziemlich anstrengend. Ich habe sie ganz höflich angesprochen. Es stellte sich heraus, dass sie selbst nicht wusste, wie das Geräusch ausgeht. Ich habe ihr einfach geholfen, dann waren wir beide zufrieden.

Ist es eigentlich aufdringlich, in der U-Bahn wildfremde Menschen anzusprechen?

Nein. Wenn ich zum Beispiel in eine Straßenbahn einsteige, in der nur eine Person in einem Vierer sitzt, frage ich trotzdem, ob da noch ein Platz frei ist.

Auch wenn das offensichtlich ist?

Ja. Das wichtigste ist, miteinander in Kontakt zu treten. Jedem Menschen steht ein Gruß zu.

Machen Sie damit positive Erfahrungen?

Höflich aus Tradition

Moritz Freiherr Knigge, 49, entstammt dem Adelsgeschlecht der Knigges und wuchs auf dem Familiengut in Bredenbeck bei Hannover auf. Genauso wie sein Urahn Adolph Freiherr Knigge, der mit der Schrift "Über den Umgang mit Menschen" - kurz: "dem Knigge" - berühmt wurde, widmet Moritz Freiherr Knigge sich der Frage nach dem richtigen Miteinander der Menschen. Nach einer Ausbildung zum Verlagskaufmann in Göttingen studierte er Betriebswirtschaftslehre in Berlin. Seit 2002 lebt er als selbständiger Autor und Referent in Hannover. In seinen Reden und Vorträgen thematisiert Knigge das menschliche Miteinander in Wirtschaft und Gesellschaft. Als Autor hat er sieben Bücher verfasst, unter anderem zur "Kunst des höflichen Reisens". Da er selbst kein Auto besitzt, ist er häufig mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, unter anderem auch schon in einer Münchener U-Bahn voller Bayern-Fans.

Absolut. Ich bin zum Beispiel letztes Jahr aus der S-Bahn ausgestiegen und als die Bahn losfuhr, habe ich gemerkt, dass ich meine Computertasche liegen gelassen hatte. Als ich zum Fundbüro gegangen bin, um sie zu suchen, war sie da. Die Frau die neben mir gesessen hatte, hat sie dort abgegeben. Ich bin mir sicher, das lag daran, dass wir uns gegrüßt hatten.

Ist es nicht zu viel des Guten, wenn man andere Leute grüßt, die einfach schnell in Ruhe von A nach B wollen?

Ein kurzer Gruß ist noch kein Distanzbruch. Anders ist es, wenn jemand neben einem sitzt und die ganze Zeit auf einen einredet. Da habe ich auch schon mal gesagt: "Entschuldigen Sie bitte, aber ich möchte jetzt dieses Buch lesen. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber mir ist im Moment nicht danach, mich mit ihnen zu unterhalten."

Also ruhig ehrlich sein?

Der Ton macht die Musik. Ehrlich dürfen Sie immer sein.

Die Texte zu diesem Thema des Tages entstanden in Kooperation mit der Journalistenschule ifp (Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses), alle Autoren sind Stipendiaten des Studienjahrgangs 2017.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: