Mordprozess in München:Täuschen und tricksen

Im Prozess um den Mord an dem Investmentmanager Dirk P. verdichten sich die Indizien gegen den Tatverdächtigen Rainer H. Doch er und die Verteidigung ziehen ganz eigene Schlüsse.

Christian Rost

In den Tagen nach dem Mord an dem Investmentmanager Dirk P. führte Rainer H. die Beamten der Münchner Mordkommission an der Nase herum. Schon in seiner ersten Vernehmung am 16. Januar vergangenen Jahres, zwei Tage nach den tödlichen Schüssen auf Dirk P., lenkte der 40-jährige Hausmeister den Verdacht auf einen Autolackierer aus der Weilheimer Gegend.

Poschinger-Mord Angeklagter

Rainer H. und seine Anwälte suchen nach Lücken und Unstimmigkeiten bei den belastenden Beweisen.

(Foto: dapd)

Die Polizei rückte nachts mit Spezialkräften bei dem Mann an und holte ihn und seine Frau aus dem Bett. Der Lackierer besaß Schusswaffen, dennoch war er von seinem Spezl H. zu Unrecht beschuldigt worden. Am Tag des Mordes hatte er sich durchweg in seinem Betrieb aufgehalten. Die Ermittler kamen also wieder auf Rainer H. zurück, und der, mittlerweile selbst dringend tatverdächtig, versuchte es wieder mit einem Täuschungsmanöver.

Die Kriminaler hatten eine Gegenüberstellung organisiert: Sie führten den spanischen Gastwirt Trayche B. in den Vernehmungsraum. Die Reaktion H.s war absehbar: Seinen guten Bekannten musste er einfach wiedererkennen, da blieb ihm keine Wahl. Kurz darauf brachten die Polizisten Trayche B. ein weiteres Mal herein, diesmal mit schlecht sitzender Perücke auf dem Kopf, also nur wenig verändert.

Doch H. sprang auf, deutete auf B. und meinte, das sei doch "Herr Kirkorov". Selbst der spanische Wirt war baff über das offenkundige Schauspiel seines Kumpels, er starrte ihn nur ungläubig an. Rainer H. habe sehr verärgert darauf reagiert, erinnert sich ein Kriminaler an die skurrile Situation.

Nach allem, was man bisher gehört hat in dem seit Anfang November laufenden Mordprozess gegen Rainer H., hat es die Person namens Kirkorov nie gegeben. Vielmehr ist erwiesen, dass der verkleidete Wirt im Auftrag H.s als Filip Filipov Kirkorov in München unterwegs war und eine Firma gegründet hat.

Nur ausgedacht für den mörderischen Plan?

Ein Phantasieprodukt des Hausmeisters ist ganz offensichtlich auch der "Herr Arnold". Von dieser Person will Rainer H. den Audi A8 bekommen haben, der dem Mordopfer Dirk P. gehört hatte. Die Polizei aber fand nirgends einen Herrn Arnold, auch zu einem angeblichen Treffen mit Rainer H. erschien der Mann nicht mehr. Die Polizisten warteten eine Dreiviertelstunde zusammen mit H. in einer Zivilstreife hinter blickdichten Scheiben auf ihn.

Die Staatsanwaltschaft am Landgericht München I ist längst überzeugt davon, dass sich Rainer H. die Namen Kirkorov und Arnold nur ausgedacht hat für seinen mörderischen Plan: Demnach wollte er den Besitzer eines teuren Autos umbringen, um sich durch den Verkauf des Fahrzeugs zu bereichern. Wie die beiden fiktiven Personen soll auch eine Scheinfirma des ständig in Geldnöten steckenden Hausmeisters nur dazu gedient haben, Spuren zu verwischen.

Mehr als 100 Zeugen wird das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Michael Höhne gehört haben, wenn voraussichtlich am 4. Februar ein Urteil in diesem Verfahren gesprochen wird. Der Hausmeister beteuerte gleich zu Prozessbeginn seine Unschuld und klammert sich seither an jede andeutungsweise entlastende Aussage wie ein Ertrinkender an einen dünnen Ast. Doch es gibt bislang praktisch nichts, das auf einen anderen Täter als den gelernten Elektriker mit Hang zu Rechthaberei und Überheblichkeit hinweisen würde. Genetische Fingerabdrücke des Angeklagten finden sich an der wahrscheinlichen Tatwaffe, einer Ruger Kaliber 22 Millimeter, in einem Leichensack, in den der Tote eingewickelt wurde, an den Handschellen, mit denen man Dirk P. fesselte, bevor er erschossen wurde, und im Audi A8, um den es ja ging.

Ein eindeutiges Bild - oder nicht?

Die Papiere und Schlüssel für den Wagen trug H. bei seiner Festnahme bei sich. Und am mutmaßlichen Tatort, der Garage des Hausmeisters am Freiburger Platz in Laim, wo die 13 Schüsse auf den Manager vermutlich abgegeben wurden, entdeckten die Kriminaler unzählige weitere Spuren, die Rainer H. schwer belasten. Ihn aber ficht das alles nicht an. Doch wenn sich seine Arbeitskollegen nicht mehr genau erinnern können, ob er am Vormittag des 14. Januar in seinem Büro war oder nicht, grinst der Angeklagte und verbucht diesen Punktgewinn für sich.

Auf der Suche nach Lücken und Unstimmigkeiten in der Indizienkette liest der Mann aufmerksam in den Akten mit, wenn die Ermittler ihre Ergebnisse im Schwurgerichtssaal vortragen. Kriminaler Jens Liedhegener führte zum Beispiel auf, was die Analyse der Handys ergeben hat, die H. im Tatzeitraum benutzt hatte. Wenn Mobiltelefone eingeschaltet sind, loggen sie sich in einer Funkzelle ein, die jeweils immer nur einen kleinen Teil im Stadtgebiet abdeckt.

Ganz München ist überzogen von solchen Zellen, und sobald sich der Handynutzer bewegt, zu Fuß, mit dem Auto oder mit der U-Bahn, hangelt sich das Gerät von Funkzelle zu Funkzelle. So lässt auch dann ein ziemlich genaues Bewegungsprofil des Besitzers erstellen, wenn dieser gar nicht telefoniert hat.

Für Rainer H. spricht nach der Auswertung dieser Daten, dass zwei seiner Handys am Tattag an seinem Arbeitsplatz bei einer großen Baufirma in Laim lagen. Gegen ihn spricht, dass ein drittes Gerät mit einer SIM-Karte, die unter falschem Namen vom Computer H.s im Internet ersteigert worden war, folgenden Weg zurücklegte am Donnerstagmorgen, den 14. Januar: Von der Wohnung des Angeklagten am Freiburger Platz ging es in Laim in die U-Bahn, von dort zum Prinzregentenplatz, wo das Opfer mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Töchtern lebte.

Und dann kam das Handy zurück nach Laim, mutmaßlich in die Garage des Angeklagten. Mit diesem dritten Handy ist Dirk P. mehrfach angerufen worden, nachdem er seinen Audi für 53.000 Euro zum Verkauf inseriert hatte.

Dass auch Rainer H. diesen Weg zurückgelegt hat, belegen die Bilder von Überwachungskameras, die ihn im tatrelevanten Zeitraum aufgenommen haben. Die Übereinstimmung des Handywegs und der Videoaufnahmen sollte ein eindeutiges Bild ergeben. Doch auch dieser Beweis bringt weder den Angeklagten noch seinen Verteidiger Christian Finke ins Grübeln: H., so meint der Anwalt, habe am 14. Januar eben beruflich in einem Gebäude in der Nähe des Prinzregentenplatzes zu tun gehabt.

Eine eher labile Persönlichkeit

Auf Prozessbeobachter wirkt die Strategie des Verteidigers nicht sehr überzeugend. Finke sucht bislang ergebnislos nach Entlastendem für seinen Mandanten. Ob sich so eine Verurteilung wegen Mordes, wahrscheinlich mit besonderer Schwere der Schuld und womöglich anschließender Sicherungsverwahrung, noch verhindern lässt?

Die Verteidigung gibt die Hoffnung nicht auf, und viel erwartete sie sich von der Vernehmung der Ex-Frau des Angeklagten. Es handelt sich generell um eine eher labile Persönlichkeit, die im Zeugenstand aber klar aussagte, dass Rainer H. ihr schon 2008 von einem Plan erzählt habe, wie man zu viel Geld kommen könnte: indem man private Autoverkäufer umbrächte. Mit diesem Wissen ging Sandra H. zur Polizei, wo man sie aber nicht ernst nahm.

Der Angeklagte zieht unterdessen seine eigenen Schlüsse aus der Tatsache, dass seine Ex-Frau schon lange vor der Tat etwas von einem solchen Mordplan wusste. Er ist davon überzeugt, dass sie das alles eingefädelt hat, nur um ihn ins Gefängnis zu bringen. So jedenfalls äußerte sich Rainer H. im Gespräch mit seiner Mutter, die ihn in der Untersuchungshaft besuchte. Denn er kann es nicht gewesen sein, weil er ja unschuldig ist. Der Prozess wird am 20. Januar fortgesetzt.

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