Mordfall Moshammer aufgeklärt:"Das Opfer hatte keine Chance"

Mehrmals pro Woche hat sich der Modemacher in Münchens Bahnhofsgegend junge Liebhaber gesucht. Dabei wurde er unvorsichtig - und musste mit seinem Leben dafür bezahlen.

Von Christian Rost

Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei wartete am Samstag vier Stunden auf Herisch A. vor seiner Wohnung am Harras.

Mordfall Moshammer aufgeklärt: Kerzen und Blumen, Trauer und ein bisschen Schaulust: Münchner Bürger vor dem Modegeschäft von Rudolph Moshammer.

Kerzen und Blumen, Trauer und ein bisschen Schaulust: Münchner Bürger vor dem Modegeschäft von Rudolph Moshammer.

(Foto: Foto: dpa)

Der Vergleich von DNS-Spuren am Tatort mit einem im Polizeicomputer gespeicherten genetischen Fingerabdruck A.s hatte schon bald nach dem Mord an Rudolph Moshammer eine fast zweifelsfreie Übereinstimmung ergeben.

Der Iraker galt damit als dringend tatverdächtig. Als der 25-jährige Hilfskoch gegen 22 Uhr nach Haus kam, klickten die Handschellen. Er ließ sich widerstandslos festnehmen. Bis Sonntag um 2Uhr früh dauerte seine Vernehmung bei der Mordkommission an.

Nach anfänglichem hartnäckigem Leugnen gestand er, in der Nacht zum Freitag Moshammer mit einem Stromkabel in dessen Grünwalder Haus erdrosselt zu haben. Herisch A. war der letzte von vielen jungen Männern, die der homosexuelle Moshammer im Lauf der Jahre mit nach Grünwald genommen hatte.

Ein viel sagendes Kennzeichen

Der Modehändler hat sich laut Kriminaloberrat Harald Pickert "mehrfach pro Woche" junge Männer in München gesucht, er sei dabei "zuletzt unvorsichtig" gewesen.

So am Donnerstagabend: Nachdem er mit einer Freundin in der "Villa Romana" in Grünwald gegessen und sie dann zu Hause abgesetzt hatte, fuhr er mit seinem nachtschwarzen Rolls Royce durch die Münchner Straßen.

Aus dem Auto heraus sprach er junge Männer an. In den Vierteln, in denen auch Stricher angetroffen werden wie am Haupt- und Ostbahnhof, in der Isarvorstadt und am Viktualienmarkt, war das Kennzeichen des Fahrzeugs M - RM 111 längst bekannt. Und nicht nur hier: Bei der Polizei meldeten sich wegen des Mordfalls rund 500 Leute - unter ihnen zahlreiche Anrufer, die das Auto auch in der Mordnacht erkannt hatten.

Die 20-köpfige "Sonderkommission Moshammer" rekonstruierte, dass der 64-Jährige am Donnerstag gegen 22 Uhr in der Kapuzinerstraße, Sendlinger Straße, Landwehrstraße und am Hauptbahnhof Kontakt suchte. Am Bahnhof traf er auf Herisch A. Dem Hilfskoch bot er 2000 Euro für sexuelle Handlungen an.

Die Kapuze tief ins Gesicht gezogen

A., der sich in seiner Freizeit laut Polizei mit Spielautomaten vorwiegend in der Gegend am Hauptbahnhof beschäftigte, deswegen Schulden und Mietrückstände hatte, stieg schließlich in den Rolls ein. Gemeinsam fuhren die Männer gegen 23 Uhr nach Grünwald. Unterwegs wurden die beiden, wie berichtet, von Zeugen gesehen.

Insgesamt vier Zeugen konnten sich an den jungen Mann mit weißer Kopfbedeckung neben Moshammer erinnern. Es war Herisch A. auf dem Beifahrersitz, der sich die Kapuze seines Shirts über den Kopf tief ins Gesicht gezogen hatte. Eigenen Angaben zufolge hat sich A. zuvor nie als Stricher betätigt.

Er sagt, er habe eine Freundin und sei nicht homosexuell. Die Polizei (Kommissariat 111, Telefon 089/29100) will nun von Zeugen wissen, ob A. nicht doch in der Szene verkehrte.

Vermutlich keine halbe Stunde hatte sich der 25-Jährige in dem Reihenhaus in Bungalow-Bauart an der Robert-Koch-Straße aufgehalten. Nach dem Sex wollte er das Geld. Doch Moshammer habe sich geweigert zu bezahlen, er habe ihn hinauswerfen wollen und damit gedroht, die Polizei zu holen, sagt der Täter später aus.

"Das Opfer hatte keine Chance"

Der 1,80 Meter große und kräftige Mann nahm daraufhin ein zufällig auf einem Tisch liegendes Kabel und erdrosselte Moshammer. "Eine blitzschnelle Tötung", sagt Chef-Ermittler Pickert, "das Opfer hatte keine Chance."

Anschließend durchsuchte A. die Taschen Moshammers nach Geld, fand aber nichts und flüchtete in Panik aus dem Haus. Ein Zeuge sah ihn um 0.05 Uhr über die Robert-Koch-Straße laufen. Mit der ersten Trambahn am Freitagmorgen fuhr der Hilfskoch zu seiner Wohnung am Harras.

Dort rasierte er - um von möglichen Zeugen nicht erkannt zu werden - als erstes seine Haare ab. Unterdessen entdeckte gegen neun Uhr in Grünwald der Chauffeur Moshammers Leiche. Der selbst ernannte Modezar lag im schwarzen Anzug tot im Gang vor seiner Schlafzimmertür im ersten Stock des Hauses.

Spuren der Vergangenheit

Die Polizei fand am Tatort an mehreren Stellen Spuren des mutmaßlichen Mörders. So auch an der "Tatwaffe", dem Stromkabel. Rechtsmediziner filterten das DNS-Muster heraus, und bei einem Datenvergleich im Polizeicomputer ergab sich die Übereinstimmung: Die Spur gehörte zu Herisch A. Gegen ihn war erst im vorigen Jahr ermittelt worden.

Angeblich hatte er eine Frau, die Bekannte mit ihm verkuppeln wollten, massiv attackiert. Die Staatsanwaltschaft zumindest leitete ein Verfahren wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung gegen ihn ein.

Doch die Ermittlungen platzten, weil die betroffene Frau sich zunächst bei ihrer Aussage in Widersprüche verwickelte und zuletzt überhaupt nicht mehr als Zeugin zur Verfügung stehen wollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Polizei aber bereits das DNS-Muster des 25-Jährigen gespeichert. Er hatte der freiwilligen Speichelentnahme zugestimmt.

Herisch A. war 2001 als Asylbewerber in die Bundesrepublik gekommen und hatte eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Zunächst lebte er in Norddeutschland, 2002 kam er nach München. Hier wohnte er in einer Unterkunft für Asylbewerber, bis er vor kurzem in die Wohnung am Harras zog. Dort lebte er alleine.

"Weinerlich, geprägt vom Selbstmitleid"

Angehörige hat A. nicht in Deutschland. Sein Vater sei tot, seine Schwester befinde sich im Irak, gab er zu Protokoll. Bei der polizeilichen Vernehmung gab sich A. laut Pickert "weinerlich und geprägt von Selbstmitleid". Der Beschuldigte habe sich immer wieder dahingehend geäußert, dass er sich nichts leisten könne, während sich andere viel leisten könnten.

Teure Autos zum Beispiel, wie Pickert schildert. Rudolph Moshammer kannte der 25-Jährige zumindest vom Hörensagen: Dass der Münchner öfters im Bereich am Hauptbahnhof junge Männer anspreche, sei bei seinen Landsleuten bekannt gewesen, so A., der nur gebrochen Deutsch spricht und im Beisein eines Dolmetschers verhört wurde.

Laut Oberstaatsanwalt Peter Boie werde gegen den 25-Jährigen Anklage wegen heimtückischen Mordes aus Habgier erhoben. Dem Beschuldigten sei es nur um Geld gegangen, die Tat hinterrücks ausgeführt worden. Vermutlich werde der Prozess in diesem Jahr beginnen.

"Die meisten Unterlagen haben wir bereits zusammen", so Boie. Ob Harisch A. voll schuldfähig ist, soll zuvor eine psychiatrische Begutachtung ergeben. Eine Abschiebung des mutmaßlichen Täters in den Irak kommt laut Staatsanwaltschaft nicht in Betracht.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: