Mordfälle Ursula Herrmann und Charlotte Böhringer:Das Geheimnis von Spur J73.03.3

Auch nach der Festnahme in Kappeln bleibt der DNS-Fund rätselhaft, der beide Verbrechen verbindet.

Alexander Krug

Der Tod von Charlotte Böhringer und der nun wohl aufgeklärte Mordfall Ursula Herrmann stehen offenbar doch in keinem direkten Zusammenhang. Zwar ist nach wie vor die Herkunft von zwei identischen DNS-Spuren aus den beiden Mordfällen ungeklärt. Gleichzeitig steht aber fest, dass der jetzt festgenommene mutmaßliche Täter im Fall Herrmann sowie zwei weitere Beschuldigte nichts mit dem Böhringer-Fall zu tun haben.

Mordfälle Ursula Herrmann und Charlotte Böhringer: Millionärin und Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer: Angeklagt wegen Mordes ist ihr Neffe Benedikt T., der seit knapp zwei Jahren in Untersuchungshaft.

Millionärin und Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer: Angeklagt wegen Mordes ist ihr Neffe Benedikt T., der seit knapp zwei Jahren in Untersuchungshaft.

(Foto: Foto: Robert Haas)

Die Nachricht von der Festnahme eines Verdächtigen im Fall Herrmann löste am Freitag im Schwurgericht allgemeine Überraschung aus. Die Verteidiger Peter Witting und Stefan Mittelbach begrüßten ausdrücklich die Festnahme mit dem Zusatz, "wenn es denn der richtige ist". Ihre grundsätzliche Skepsis gegenüber den Ermittlern bleibt somit bestehen.

Angeklagt wegen Mordes ist Böhringers Neffe Benedikt T., 33. Er war im Mai 2006 drei Tage nach dem Mord an seiner Tante, der Millionärin und Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer, festgenommen worden und sitzt seither in Untersuchungshaft. Der Prozess begann vor mehr als einem Jahr, Benedikt T. beteuert von Anfang an seine Unschuld und befindet sich seit dem 21. April im Hungerstreik.

Keine Erklärung, viele Mutmaßungen

Zum Prozessauftakt im Mai 2007 wurde eine neue DNS-Spur bekannt, die seitdem für Spekulationen und Verwirrung sorgt. Die Spur mit der Nummer "J73.03.3" stammt von einer Holzschraube aus der Kiste, in der 1981 die entführte Schülerin Ursula Herrmann erstickt war.

Mit neuester Kriminaltechnik war es Experten von der Spurensicherung des Polizeipräsidiums Anfang 2007 gelungen, an der Holzschraube einen genetischen Fingerabdruck sicherzustellen. Bei einer Überprüfung dieser Spur stellte sich einige Monate später zur allgemeinen Überraschung heraus, dass "J73.03.3" identisch ist mit einer Spur aus Böhringers Wohnung. Dort war an einem Glas in einer Geschirrspülmaschine und an einem Kommodengriff dieselbe DNS-Spur gesichert worden.

Das Geheimnis von Spur J73.03.3

Für diese Spurenidentität gibt es bis heute keine Erklärung, dafür aber viele Mutmaßungen. Eine mögliche Erklärung: Der Mörder von Ursula Herrmann war 25 Jahre nach seiner Tat auch in Böhringers Wohnung. So unwahrscheinlich diese Option ist, so kann sie doch nicht ausgeschlossen werden. Für die Verteidiger bietet die Spur daher bis heute jedenfalls Anlass genug, die gesamte Anklage der Staatsanwaltschaft in Frage zu stellen.

Was aber, wenn den Spurenermittlern schlicht ein Fehler unterlaufen war?

Immerhin reicht heute schon ein Husten aus, um einen Gegenstand zu kontaminieren und an ihm eine DNS-Sequenz zu hinterlassen. Im Verlauf des Prozesses mussten hunderte Personen eine Speichelprobe abgeben, darunter auch all jene, die zu irgendeinem Zeitpunkt mit den beiden Mordfällen Böhringer und Herrmann zu tun hatten. Das Ergebnis war negativ. Deshalb wurde auch bald das Gerücht kolportiert, ein gemobbter Kriminalbeamter habe absichtlich die Spuren kontaminiert, um sich zu rächen. Belegt werden konnte diese Fama aber nie (siehe Kasten unten).

Nach Hunderten von Speichelproben teilten die Richter den Verteidigern zuletzt mit, dass sich aus ihrer Sicht kein Zusammenhang zwischen den beiden Mordfällen herstellen lasse und weitere DNS-Tests nicht mehr erforderlich seien. Die Verteidiger warfen ihnen daraufhin Befangenheit vor.

Im Zuge der Tests hatten auch etwa 30 Personen eine Speichelprobe abgeben müssen, die zum Kreis der Verdächtigen im Mordfall Herrmann gehören. Unter diesen war auch der jetzt in Kappeln (Schleswig-Holstein) festgenommene Monteur Werner M., 58. Seine DNS stimmt aber nachweislich nicht mit der Spur "J73.03.3" überein. Damit ist ausgeschlossen, dass er in Böhringers Wohnung war. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung lässt sich auch das DNS-Muster von zwei Mitbeschuldigten nicht der Spur im Fall Böhringer zuordnen. Bei den beiden soll es sich auch nur um Männer handeln, die dem Hauptverdächtigen ein Alibi gaben.

Für die Verteidiger hat die Spur weiterhin Bedeutung

Ein dritter Beschuldigter, ein Gemeindearbeiter aus Eching, soll 1992 verstorben sein. Damit fällt auch er als Spurenverursacher im Fall Böhringer aus. Nach wie vor unklar ist aber, ob es sich bei Werner M. um einen Einzeltäter handelt. Sollte es noch unbekannte Mittäter geben, die niemals eine Speichelprobe abgeben mussten, bleibt die theoretische Möglichkeit, dass sie etwas mit dem Mordfall Böhringer zu tun haben.

Die Verteidiger Witting und Mittelbach beharren trotzdem darauf, dass "die Spur für uns weiter ihre Bedeutung hat". Die Anwälte mussten sich in der Vergangenheit nicht nur durch die Vielzahl der Böhringer-Akten kämpfen, sondern gleichzeitig auch noch die 55 Haupt- und 259 Spurenakten zum Fall "Ursula Herrmann" durchforsten. Möglicherweise war diese Arbeit nun vergeblich.

Am Freitag fragte Verteidiger Witting bei Staatsanwalt Martin Kronester nach, ob er "weitere Erkenntnisse" zu der aktuellen Festnahme habe. Kronester musste passen: "Ich weiß gar nichts darüber." Es sei ja hinlänglich bekannt, dass die zuständige Augsburger Staatsanwaltschaft den Fall als "geheim" behandele. Letztlich wird damit immer wahrscheinlicher, dass die Herkunft der Spur "J73.03.3." niemals mehr aufgeklärt werden wird.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: