Mord in Giesing:Getötete 45-Jährige war offenbar Opfer eines Stalkers

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  • Der ehemalige Lebensgefährte der Getöteten, der 45-jährige Roland B., ist vorbestraft und sollte wegen Stalkings diesen Donnerstag erneut vor Gericht stehen.
  • Er ist dringend tatverdächtig, die Frau in Giesing getötet zu haben. Von ihm fehlt bislang jede Spur.

Von Christian Rost, München

Der Mann, der am Dienstag in Giesing eine Frau erstochen hat, ist weiter auf der Flucht. Unter dringendem Tatverdacht steht der 45-jährige Roland B. - er soll seine gleichaltrige ehemalige Lebensgefährtin getötet haben. Als Motiv nimmt die Polizei an, dass er die Trennung von ihr nicht verkraftet hat.

Jahrelang stellte der Mann der Frau trotz einer Verurteilung wegen Stalkings und trotz eines Kontaktverbots nach. An diesem Donnerstag sollte erneut am Münchner Amtsgericht gegen ihn verhandelt werden. Zwei Tage vor dem Prozess kam es zu der Bluttat.

Nach den Angaben von Markus Kraus, Leiter der Mordkommission, waren am Dienstag gegen 15.30 Uhr mehrere Notrufe bei Polizei und Rettungsdienst eingegangen, denen zufolge eine schwerverletzte Frau im Flur eines Wohnblocks an der Bayrischzeller Straße liege. Eine Zeugin hatte noch gesehen, dass ein Mann aus dem Gebäude flüchtete, der die Frau zuvor angegriffen hatte. Das Opfer war mit einem Messer mit 25 Zentimeter langer Klinge attackiert worden. Noch am Tatort erlag die 45-Jährige ihren Verletzungen. Die Waffe stellte die Polizei im Hausflur sicher.

Polizei
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Gegen den Mann gab es nach SZ-Informationen seit Jahren ein Kontaktverbot. Noch befindet sich der mutmaßliche Mörder der 45-Jährigen auf der Flucht.

Die Ermittlungen führten rasch zu Roland B. als mutmaßlichen Täter. Seine Münchner Wohnung hatte er offensichtlich überstürzt verlassen. Die Polizei fand dort keine Hinweise darauf, dass er die Tat schon länger geplant hatte. Allerdings wurden Unterlagen sichergestellt, mit denen sich B. offenbar auf seine bevorstehende Gerichtsverhandlung vorbereitete.

In den Jahren 2008 und 2009 hatte er in Wolfratshausen mit dem Opfer zusammengelebt. Beide arbeiteten als Architekten. Nach der Trennung zog zuerst sie nach München, dann auch er. In den Folgejahren habe er immer wieder "Kontakt zu ihr gesucht", wie Kraus sagte, "er hat die Trennung nicht verkraftet". 2013 zeigte die Frau ihren Ex-Freund erstmals wegen Nachstellung an. Die Polizei suchte B. daraufhin zu sogenannten Gefährderansprachen auf, wodurch er sich aber offensichtlich nicht beeindrucken ließ.

Er bekam ihre Adresse heraus

Weiterhin passte er seine Ex-Freundin auf der Straße ab und rief auch an ihrem Arbeitsplatz an. Sie ignorierte die Anrufe oder legte rasch wieder auf. Wenn er ihr dann auf dem Heimweg vom Arbeitsplatz bei einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft folgte und ein Gespräch mit ihr forderte, versuchte sie ihn abzuschütteln, damit er nicht erfuhr, wo sie wohnte.

Sie flüchtete sich auch zu einer Freundin, um den Stalker loszuwerden. Das gelang ihr nicht: Er bekam ihre neue Adresse heraus und klingelte Sturm, bis sie die Klingel abstellte. Die Frau bat auch ihre Nachbarn, sie zu informieren, wenn sich ein Mann an dem Wohnanwesen herumtreibt.

2014 musste Roland B. nach Angaben von Staatsanwalt Florian Weinzierl erstmals vor dem Münchner Amtsgericht erscheinen. Das Gericht verurteilte ihn wegen Nachstellung zu einer Geldstrafe. Auch zivilrechtlich ging seine Ex-Freundin gegen ihn vor. Am Familiengericht erwirkte sie eine Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz, wonach er sich ihr nicht mehr als 100 Meter nähern durfte.

Zunächst hielt sich Roland B. an das Verbot. Von August 2015 an stellte er dem Opfer aber wieder nach. Deshalb sollte diesen Donnerstag erneut vor dem Amtsgericht verhandelt werden. Die Anklage wirft ihm Nachstellung in 16 Fällen und Verstöße gegen das Gewaltschutzgesetz vor. Die Polizei hatte ihn das letzte Mal im Herbst 2015 zur Gefährderansprache aufgesucht.

Bis zu seiner mutmaßlichen Messerattacke galt der Stalker zwar als extrem hartnäckig, aber nicht als gefährlich. Abgesehen von der Verurteilung wegen Nachstellung war er nicht vorbestraft. Gegenüber seiner Ex-Freundin sei er zuvor nicht gewalttätig geworden, er habe sie auch nicht bedroht, so Kriminaloberrat Kraus. Dass an ihrem Wohnhaus einmal Fahrradreifen zerstochen und Türschlösser verklebt wurden, konnte B. nicht zugeschrieben werden. Kraus betonte, Polizei und Justiz seien die Hände gebunden gewesen: "Solange nichts passiert, ist es rechtlich schwierig, etwas zu machen."

© SZ vom 18.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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