Süddeutsche Zeitung

Moosach:"Einfach wird es für keinen werden"

Ende Oktober schließt die Karstadt-Filiale am Olympia-Einkaufszentrum. Etwa 65 Mitarbeiter verlieren ihre Arbeit, viele waren jahrzehntelang dabei

Von Anita Naujokat, Moosach

Wegen der beabsichtigten Schließung der Karstadt-Filiale am Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) sorgen sich Bürger und Politiker um den Einkaufsstandort und die Zukunft der Beschäftigten. Mit Karstadt verliere Moosach nicht nur qualifizierten Einzelhandel, die Schließung sei auch eine "bittere Nachricht" für die dortigen Mitarbeiter, teilten die SPD-Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz und die Moosacher SPD-Stadträtin Julia Schönfeld-Knor mit.

Laut dem Betriebsratsvorsitzenden Mathias Braasch ist die Schließung für Ende Oktober vorgesehen. Betroffen seien zirka 40 Vollzeitbeschäftigte, insgesamt um die 65 Mitarbeiter inklusive Mini-Jobbern und Teilzeitkräften. Unter ihnen seien relativ viele ältere Mitarbeiter und Alleinstehende, die schon sehr lange in der Filiale tätig seien. Das Durchschnittsalter im Verkauf liege über 50 Jahre. "Manche sind seit 30, 40 Jahren im Unternehmen." Ein Übergang für sie in andere Filialen werde nur in wenigen Fällen möglich sein, vermutet Braasch. Dies hänge mit dem Umsatz zusammen. Sei der Umsatz niedrig, gehe die Geschäftsleitung auch mit dem Personal runter. Braasch schließt nicht aus, dass es deswegen in anderen Filialen auch zu Kurzarbeit kommen könne.

Die Mitarbeiter hätten nun die Möglichkeit, in eine Transfergesellschaft zu gehen, die versuchen solle, sie in passende Jobs zu vermitteln. Dort erhielten sie für ein halbes Jahr "etwas mehr als Arbeitslosengeld" und sollten über Einzel- und Expertengespräche, Workshops und eventuelle Praktika für die modernen Anforderungen etwa bei Bewerbungen qualifiziert werden. Viele hätten sich ja seit Jahrzehnten nirgends mehr bewerben müssen, sagt Braasch. Deshalb sei ein halbes Jahr auch angesichts der zu erwartenden Insolvenzwelle in der Branche für viele zu kurz bemessen.

Betriebsrat und Gewerkschaft hielten es für dringend notwendig, dass Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mehr Geld in die Töpfe fülle, gerade auch für Umschulung und Weiterbildung. "Die Politik tut derzeit viel für andere", sagt er. "Doch Dienstleistungsbereiche wie der Einzelhandel, der besonders hart unter den Maßnahmen gelitten hat, wird vernachlässigt." Stachowitz und Schönfeld-Knor haben sich inzwischen in einem offenen Brief an den Bundesarbeitsminister gewandt, in dem sie nach einem Treffen mit dem Betriebsrat finanzielle und strukturelle Verbesserungen für die Betroffenen fordern.

Wer nicht in die Transfergesellschaft wechsle, dem werde gekündigt. "Einfach wird es für keinen werden", sagt Braasch. Und es gehe viel Erfahrung verloren, denn im Einzelhandel werde nicht mehr so gut ausgebildet wie früher. Die Azubis, derzeit gibt es zwei, sollen in anderen Filialen unterkommen. Sei dies nicht möglich, werde mit der IHK nach Lösungen gesucht.

Die Karstadt-Filiale an der Riesstraße 61 ist zwar ebenso wie C & A räumlich dem Olympia-Einkaufszentrum angegliedert, gehört aber nicht zum Center selbst. Beide Immobilien sind im Eigentum eines Fonds, den der europaweit tätige Immobilien-Investment-Manager Redevco unter anderem für die Kaufhaus-Dynastie Brenninkmeijer verwaltet. Karstadt ist dort Mieter. Die Pläne von Galeria Karstadt Kaufhof GmbH seien so eindeutig gewesen, dass es keine Verhandlungen über die Fortsetzung des Mietverhältnisses bei geringerer Miete gegeben habe, sagte eine Sprecherin von Redevco. Deshalb sei man bereits mit möglichen Nachmietern im Gespräch. Mit wem, könne man noch nicht bekannt geben. Das OEZ selbst rechnet wegen der Karstadt-Schließung nicht mit gravierenden Auswirkungen auf den Einkaufsstandort. Auch schlössen derzeit keine weiteren Geschäfte, sagt Center-Manager Serge Micarelli.

Braasch selbst ist ebenfalls im kritischen Alter von Ende 50. Sein Betriebsratsstatus nutzt ihm bei einer Filialschließung nichts. "Das würde ich auch nicht wollen", sagt er. Die anderen an sich vorbeiziehen lassen zu müssen, und selbst bleiben zu können. Bitter findet Braasch manche Kunden-Reaktion. Da es seit der Corona-Pandemie keine Werksvertragskräfte mehr gebe, die Spitzen im Verkauf abdecken könnten, bildeten sich oft lange Schlangen vor den Kassen mit entsprechender Nörgelei über Wartezeiten. "Am Ende leisten die Verbliebenen noch Knochenarbeit", schildert er die Situation. Mitunter gingen Kunden ja mitfühlend auf die Beschäftigten zu, "andere aber wollen nur wissen, wann der Ausverkauf mit Prozenten und Rabatten startet".

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SZ vom 28.07.2020
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