Moosach:Ein Hostel, mitten in der Wildnis

The Tent Hostel in Moosach

Gemeinschaft ist dem Leiter des Zeltlagers, Olaf Schäfer, wichtig.

(Foto: Stephan Rumpf)

Jugendliche aus aller Welt schätzen "The Tent" im Kapuzinerhölzl als günstige Unterkunft. Wer will, kann sein Zelt mitbringen - oder im Schlafraum mit 200 Personen übernachten.

Reportage von Hannah Schuster, Moosach

"Das hier ist wie ein schwarzes Loch: Wer einmal hierher kommt, geht nie wieder weg", sagt Katarina. Sie sitzt mit einem Krimi auf einer kleinen Terrasse, bunte Blumen recken sich der Sonne entgegen. Gegenüber der jungen Slowenin sitzen drei gleichaltrige Franzosen, die mit ihren Handys beschäftigt sind, von irgendwo hört man das Klimpern eines Klaviers.

Ein kleiner Junge läuft an Katarina vorbei in Richtung einer Wiese. Darauf verteilt stehen im Schatten einiger Bäume mehrere kleine Zelte. Kaum zu glauben, aber das hier ist ein Hostel mitten in München, nur eine Viertelstunde vom Zentrum entfernt: das internationale Jugendübernachtungscamp "The Tent" im Kapuzinerhölzl.

Der Name kommt nicht von ungefähr: Gäste haben die Wahl, entweder ihr eigenes Zelt aufzuschlagen, oder eines der Gruppenzelte zu buchen. Dabei gibt es zwei Varianten; ein Gruppenzelt mit 100 Stockbetten, oder ein Zelt, in dem man mit Isomatten auf dem Boden schläft. "Ich dachte erst, die hätten sich verschrieben und meinten einen Schlafraum für 20 Leute, und nicht für 200 Menschen", erzählt Daniela aus Mexiko.

Auch wenn sie überrascht war - ihr gefällt das Konzept, denn so "lernt man schnell Leute kennen". Alle sprechen sich beim Vornamen an, man kommt sich schnell näher, wenn man dicht an dicht schläft. Dafür kostet die teuerste Übernachtung im Stockbett auch gerade mal 12,50 Euro, ein weiterer Pluspunkt für Daniela.

Die 24-Jährige sitzt mit den Cousins Sophie und Ryan aus den USA sowie mit Bini aus Israel auf Bierbänken in dem kleinen Biergarten. Ein Angestellter des Hostels hat sich vor einem großen Mülleimer niedergelassen und schält Kartoffeln für das Abendessen. Auch Olaf Schäfer hat als Student hier mitgearbeitet, bevor er dann seine "Karriere an den Nagel gehängt" hat, erzählt er mit einem Augenzwinkern.

Seit fast 20 Jahren leitet der einstmalige Vermessungsingenieur inzwischen das Camp zusammen mit Edith Németh. Ein Job, der ihn das ganze Jahr beschäftigt, auch wenn das "Tent" nur im Sommer geöffnet ist. "Im Winter arbeite ich fast mehr", sagt Schäfer. Dann ist er nämlich mit der Verwaltung, Nach- und Vorbereitungen, rechtlichen Angelegenheiten und Reparaturen beschäftigt.

Gegründet wurde das Camp 1972 im Hölzl zu den Olympischen Spielen, damit während der prestigeträchtigen Veranstaltung "die Tramper und Hippies aus dem Englischen Garten verschwinden", so Schäfer. Aber diese eigentlich einmalige Übernachtungsmöglichkeit kam so gut an, dass das "Tent" bis heute jedes Jahr von Ende Juni bis Anfang Oktober geöffnet hat.

Olaf Schäfer ließ das knapp eineinhalb Hektar große Gelände umzäunen

Vier Jahre nach Gründung hat der Kreisjugendring die Trägerschaft übernommen, und auch die Stadt München unterstützt das Camp jährlich. Den Großteil des Umsatzes aber, der kommt von den bis zu 30 000 Übernachtungen pro Saison - vorausgesetzt, das Wetter ist gut, sonst sinkt diese Zahl auch schon mal auf ein Drittel davon ab.

Sowieso muss sich das "Tent", um Erfolg zu haben, immer wieder anpassen und verändern. Zu Beginn gab es nur Schlafplätze auf dem Boden; als nach und nach immer mehr Hostels in München entstanden, kamen vor etwa 15 Jahren die Stockbetten dazu. Bis 2004 gab es auch kein Sanitärgebäude, sondern nur Container, jetzt wirbt das Hostel mit warmen Duschen und Waschmaschinen.

Und nachdem immer wieder in die kleinen, mitgebrachten Zelte eingebrochen worden ist, ließ Olaf Schäfer das knapp eineinhalb Hektar große Gelände umzäunen. Büsche und kleine Bäumchen wachsen den Zaun entlang. Schäfer hofft, dass sie bald dicht genug sind, um die Metallkonstruktion zu verstecken.

Im Schatten der größeren Bäume baut die Kalifornierin Jessie gerade ihr Zelt auf - zum ersten Mal überhaupt. Beim Kayaken in Kroatien bekam sie Lust aufs Campen, und in Österreich hat sie dann jemanden gefunden, der ihr die Ausrüstung verkauft hat. Bis jetzt hatte sie noch keine Gelegenheit, sie zu nutzen. Umso glücklicher ist sie nun, "so einen Platz in der Stadt gefunden zu haben - die Sterne standen wohl günstig!"

Moosach: Relativ eng, aber günstig: Im großen Zelt mit seinen 100 Stockbetten kostet die teuerste Übernachtung nur 12,50 Euro.

Relativ eng, aber günstig: Im großen Zelt mit seinen 100 Stockbetten kostet die teuerste Übernachtung nur 12,50 Euro.

(Foto: Stephan Rumpf)

Auch Jörg und Viola waren "total begeistert". Mit ihrem kleinen Hund Fluse sind sie gerade auf dem Weg nach Klagenfurt. Ihr Highlight sind die Hängematten, die auf dem ganzen Gelände verteilt sind. "Wir sind sicher nicht zum letzten Mal hier gewesen!", sagen sie. Für Katarina ist es tatsächlich schon das zweite Mal hier im Camp. Vor acht Jahren hat sie vier Wochen hier verbracht: "Ich bin eigentlich gar nicht rausgegangen, sondern bin einen Monat nur dagesessen und habe mit Leuten geredet - das war so schön", sagt sie.

Olaf Schäfer ist genau diese Gemeinschaft wichtig. Jeden Abend gibt es deshalb auch ein großes Lagerfeuer, um das sich seine Gäste versammeln können. Das "Lächeln der Gäste", so Schäfer, bezahle ihn für all seine Mühen. "Wir sind da mit sehr viel Herzblut dabei", sagt er. So weit es möglich ist, macht das Team alles selbst: einen Kräutergarten anlegen, das Grafikdesign der Website, die Verwaltung der Technik, und ein ehemaliger Mitarbeiter, der inzwischen Architekt ist, gestaltet nun die neue Cafeteria, die im Herbst gebaut wird.

Dort haben sich am Abend schon viele Backpacker versammelt, hauptsächlich englischsprachige Gäste übernachten hier. Das "Tent" ist, so Olaf Schäfer, gerade in München kaum bekannt, im Ausland jedoch spricht sich diese Übernachtungsmöglichkeit herum. Daniela, Sophie, Ryan und Bini haben Bier bestellt. Das Gespräch dreht sich um ihre Reisen, und warum sie nach München gereist sind. Und sie sind sich einig, trotz einiger kalter Nächte im Zelt war es eine gute Idee, hierher zu kommen. "Eigentlich habe ich nur eine Nacht gebucht", sagt Daniela, "aber ich bleibe jetzt erst mal noch!"

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