Moosach:Auszeit vom Kloster

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Pater Josef ist viel unterwegs. In Moosach nimmt er meistens das Fahrrad, für seine Reisen nach Deutschland den Bus. (Foto: Alessandra Schellnegger)

Seit 46 Jahren vertritt der Franziskanerpater Josef Vrdoljak aus Bosnien die Pfarrer von Sankt Martin in der Urlaubszeit

Von Elena Butz, Moosach

Weil er als junger Münchner Student ein Taschengeld dazuverdienen wollte, hat sich Josef Vrdoljak einen Nebenjob gesucht - als Aushilfspfarrer in Moosach. Nach 46 Jahren reist er noch immer jeden Sommer aus seiner Heimat in Bosnien an, um in der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Martin Seelsorger zu sein.

Wer in den Sommermonaten einen älteren Herrn in der braunen Franziskanerkutte auf dem Fahrrad durch Moosach radeln sieht, kann ziemlich sicher sein, dass es sich um Pater Josef handelt. Statt seinen wohlverdienten Ruhestand im Klostergarten im bosnischen Livno zu genießen, tauscht der 79-Jährige regelmäßig sein Leben gegen das des Moosacher Pfarrers.

Im Sommer, meistens von Juli bis Mitte September, lebt und arbeitet er in München, während sein Kollege Martin Cambensy in Urlaub geht. Warum macht er das? "Ich komme immer wieder nach München, weil es mir Spaß macht", sagt Pater Josef. "Ich war das ganze Leben Lehrer, nur in den Ferien konnte ich in der Seelsorge arbeiten, sonst habe ich mich mit den Schülern geplagt", fügt er hinzu und lacht. Er mag auch den Lebensstil, den er in München führen kann. "Dann habe ich Abwechslung. Im Kloster ist das Leben anders, als wenn man in der Seelsorge arbeiten darf, herumreisen darf." Ein Grund, nach Moosach zu kommen, sei außerdem, dass er gebraucht werde. "Die Leute und der Pfarrer sind froh, sie kennen mich, und ich bin immer sehr willkommen." Was er in Moosach bekommt, sei außerdem eine gewisse finanzielle Hilfe für seine Ordensgemeinschaft in Bosnien.

Sein perfektes Deutsch hat er an der selben Schule gelernt, an der er später auch unterrichtet hat, am humanistischen Franziskanergymnasium zu Visoko, etwa 30 Kilometer nördlich von Sarajevo. Die Sprache so gut zu kennen, habe ihm sehr geholfen, als er als Theologiestudent von seinem Franziskanerorden nach Königstein im Taunus geschickt wurde, weil die ordenseigene Hochschule einfach keinen Platz mehr hatte.

Als er die Priesterweihe empfangen und das Theologiestudium beendet hatte, stellte sein Orden ihn vor eine Entscheidung: Kaplan oder Lehrer werden? Das Lehrerkollegium am ordenseigenen Gymnasium hatte Stellen frei. Er entschied sich dafür und studierte in München Erdkunde, Anthropologie und Ethnologie. "Irgendwie habe ich gerne gelernt", begründet er seine Wahl, "und ich wollte den Lehrern entgegenkommen." Am liebsten hätte er etwas mit Sprachen gemacht, Latein, Griechisch, Deutsch vielleicht. "Aber daran war in diesem Jahr kein Bedarf."

Auf die Idee, dem Orden beizutreten, kam er in seiner Schulzeit als Untermieter bei einem Pfarrer, wo er gewohnt und im Stall geholfen hat. "Er hat keinen Einfluss mit Worten auf mich gehabt, mir nicht zugeredet", sagt Pater Josef. "Wie er gelebt, wie er auf mich gewirkt hat mit seinem Beispiel, das war der entscheidende Punkt." Er war so von ihm begeistert, dass er mit 15 beschloss, Franziskaner zu werden.

Die Stelle in Moosach ist ihm aus seinen Studienzeiten bis heute geblieben. Nicht nur das, im Laufe der Jahre hat er sogar noch weitere dazubekommen. Mittlerweile hilft er auch in der bayerischen Gemeinde Velden aus und in zwei Bergpfarreien im schweizerischen Kanton Sankt Gallen. In München gehören zu seinen Aufgaben Beerdigungen, Taufen, Trauungen und die jeweiligen Gespräche davor. Dazu hält er unter der Woche jeden Tag einen Gottesdienst, am Wochenende vier. Hier hat er zudem viele Freunde, die er besucht. Das alles verlangt viel Zeit. "Dann bleibst du zwei Stunden, ratschen und essen, aber die Zeit fehlt dann oft anderswo. Die Besuche sind schön, ich kenne meine Freunde seit dreißig, vierzig Jahren, aber ich kann nicht immer so lange bleiben, wie ich es mir wünsche." Deshalb schätzt er besonders die Sonntagnachmittage, an denen er, ganz allein und unbehelligt, im Pfarrhausgarten sitzen kann.

Dennoch bekommt er ab und zu Heimweh. "Mir fehlen mein Zimmer, mein Computer, meine Bücher, meine Bibliothek." Wenn er Anfang Oktober nach seinen Aufenthalten in Moosach, der Schweiz und Velden nach Hause kommt, wird er viereinhalb Monate außerhalb des Klosters verbracht haben - und nach zehn Tagen erneut aufbrechen. Ein voller Kalender für einen 79-jährigen Pater im Ruhestand.

Die vielen Aufgaben halten ihn nicht davon ab, noch so lange wie möglich im Sommer in Moosach auszuhelfen. "Ich sage immer bei der Verabschiedung: Ich hoffe, dass ich noch ein paar Jährchen kommen kann." Denn das fünfzigste Jahr in Moosach würde er gern feiern.Elena Butz

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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