Monika Gruber:Kettensäge mit Selbstzweifeln

Monika Gruber: Monika Gruber am Samstagabend im Deutschen Theater.

Monika Gruber am Samstagabend im Deutschen Theater.

(Foto: Robert Haas)

Die einst allgegenwärtige Kabarettistin wollte längst aufhören und macht doch noch weiter. Warum? Beobachtungen und ein Gespräch am Rande der Valentin-Ordensverleihung.

Von Thomas Becker

Und dann spielen sie "Gonna fly now", die unsterbliche Filmmusik aus "Rocky". Wer da nicht gleich anfängt, zu tänzeln oder nach einer Treppe Ausschau zu halten, die er hochsprinten kann, muss aus Holz sein. Das ist Monika Gruber definitiv nicht. Schon beim ersten "Da da daaa, da da daaa" strahlt sie übers ganze Gesicht, will schon los, doch sie hat sich ja bei zwei Männern untergehakt, und die warten brav auf ihren Einsatz, erst dann kann die Eskorte starten.

Einmal quer durch den Ballsaal führen die jungen Männer die elegant gewandete Dame, gemessenen Schrittes, Richtung Bühne. Und es ist nicht zu übersehen, dass die Frau im bodenlangen, pinkfarbenen Abendkleid jetzt lieber ausdruckstanzen würde als sich brav zu ihrer Sitzgelegenheit führen zu lassen. "Tryin' hard now, it's so hard now", heißt es bei "Rocky", aber diesmal spielt die Moni ausnahmsweise mit, belässt es bei ein paar Hüftwacklern und nimmt schließlich auf dem für die Preisträgerin reservierten Fauteuil Platz, allerdings ganz vorn auf der Kante - zurücklehnen ist nicht. Noch nicht.

Am Samstagabend ist Monika Gruber vor rund 900 Gästen im Ballsaal des Deutschen Theaters von der Faschingsgesellschaft Narrhalla für ihre Bühnenkarriere mit dem Karl-Valentin-Orden geehrt worden. Begründung der Jury: Sie verstehe es, ihr Publikum glücklich zu machen. Außerdem: hintersinnig, scharfzüngig, feinsinnig, Feuerwerk an Pointen, solche Sachen. Interessant ist dagegen der letzte Satz: "Sie selbst sieht den Humor als generell den besten Weg, um am Dasein nicht zu verzweifeln."

Sie hat gezögert, ob sie den Preis annehmen soll

In der aufgeregt-aufgekratzten Ball-Stimmung im Deutschen Theater gehen solche Formulierungen natürlich unter wie Betonklötze. Lieber verweist man da per name dropping auf die imposante Ahnenliste. Denn Gruber steht nun sozusagen in einer Reihe mit 51 Humor-Größen wie Markus Söder, Andreas Gabalier, Philipp Lahm, den Klitschkos, Papst Benedikt, Til Schweiger - nein, das wird jetzt gemein. Schließlich zählen auch Loriot, Gerd Fröbe, Harald Juhnke und Sir Peter Ustinov zu den Preisträgern, echte Granden in Sachen Spaß. Nein, die Gruberin und der Valentin Karl: Das passt schon gut zusammen. Sie selbst sieht das überhaupt nicht so, hatte gezögert, ob sie den Preis annehmen soll.

"Das ist jetzt echt kein fishing for compliments", sagt sie später nebenan im Silbersaal, "als Bayer wächst man ja mit dem Humor von Valentin und Gerhard Polt auf, aber ich bin eigentlich gar kein Ums-Eck-Denker, sondern eine, die Dinge sieht und benennt. Aber eitel, wie jeder Künstler ist, dachte ich mir dann: Wenn'st an Preis kriegst, freust dich und nimmst ihn mit!" Mit einem Scherz noch die Kurve gekriegt, aber schon in diesen wenigen Sätzen scheint eine Facette von Monika Gruber auf, die man von der stets so herrlich direkten "Kettensägen-Goschn" (Gruber über Gruber) eher nicht kennt: Selbstzweifel.

Monika Gruber: "Wenn'st an Preis kriegst, nimmst ihn mit": die Ordensübergabe.

"Wenn'st an Preis kriegst, nimmst ihn mit": die Ordensübergabe.

(Foto: Robert Haas)

Damit hatte offenbar schon ihr Tag begonnen. Via Instagram hatte sie ihre mehr als 200 000 Follower um Tipps gegen Migräne gebeten. "Das Grauen am Morgen hat einen Namen: Gruber", schreibt sie da, "schaut mich an, ich habe heute Migräne. I fühl' mi wie ausgschbiem." Am Abend ist davon nichts zu sehen. Gruber sieht klasse aus, leuchtet regelrecht, lacht viel, muss bei der Laudatio von Helmut Schleich ein paar Rührungstränen wegwischen, scheint sich wirklich wohl zu fühlen, glücklich zu sein, spricht auch offen über ihre Gründe für den Abschied von der Bühne. Und doch weiß man nicht so genau, wie es innendrin aussieht, ob da nicht doch vielleicht ein wenig Fassade als Schutzwall im Spiel ist. Schließlich war die Frau mal zweieinhalb Jahre auf der Schauspielschule Zerboni, nur ein paar Steinwürfe entfernt in der Paul-Heyse-Straße. Wieviel Monika Gruber immer in ihrem Bühnen-Alter-Ego steckt? Wer weiß.

Die gelernte Fremdsprachensekretärin war allgegenwärtig

Fest steht dagegen, dass sich in den Nuller-Jahren viele die Augen rieben, "dass der erfolgreichste Kabarettist Bayerns eine Frau ist", wie Helmut Schleich zuvor in der Laudatio festgestellt hat. Ob Fernsehen, Kino, Bühne, Bücher oder Klatschspalte während der Promi-Beziehung mit Paulaner-Chef Andreas Steinfatt und seit 2018 mit dem ehemaligen Freestyle-Skier und Red-Bull-Manager Thomas Überall: Die gelernte Fremdsprachensekretärin vom Bauernhof in Tittenkofen bei Erding war allgegenwärtig, sogar im Bundestag, wo sie mit dem Kollegen Christian Springer für dessen "Aktion Orienthelfer" um Unterstützung für syrische Flüchtlinge warb.

Selbst der "Spiegel" habe sie damals in höchsten Tönen gelobt, sagt Schleich: "In deren Augen machst du heute rechtes Kabarett. Du bist aber nicht rechts und nicht links, du bist da, wo die Leut' sind, hast deinen freien Geist bewahrt, denkst ohne Leitplanken, bist dir immer treu geblieben, beim BR und auch beim ZDF ausgestiegen, weil du dich ungerecht behandelt gefühlt hast."

Monika Gruber: Helmut Schleich bei seiner Laudatio am Samstagabend.

Helmut Schleich bei seiner Laudatio am Samstagabend.

(Foto: Robert Haas)

Auch die Laudatio auf den Karl-Valentin-Ordensträger 2020, Markus Söder, sagte sie schweren Herzens ab, nachdem Werner Steer, der damalige Intendant des Deutschen Theaters, ein "wirklich unmögliches Verhalten mir und meinen Mitarbeitern gegenüber" gezeigt habe, erzählt Gruber am Abend und fügt mit Haifischgrinsen an: "Die Amtszeit eines jeden Despoten endet irgendwann. Das gibt uns doch allen Hoffnung."

"Ich möchte den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem es vielleicht anfängt, peinlich zu werden."

Aber nicht nur Steers Amtszeit ist zu Ende, auch Gruber wird am 15. November in der Nürnberger KIA-Halle zum letzten Mal ihr Programm "Ohne Worte" spielen. 52 wird sie dann sein - eigentlich kein Alter für einen Bühnenmenschen. Der Abschied vom Kabarett hat andere Gründe, wie sie schon im Oktober 2021 erklärt hatte: "Ich möchte den Zeitpunkt nicht verpassen, an dem es vielleicht anfängt, peinlich zu werden, an dem ich zu meiner eigenen Karikatur werde. Da heißt es dann ganz schnell: Früher war's besser!"

Im Silbersaal schiebt sie nun noch eine weitere Erklärung nach: "Bei mir ist es leider so, dass ich auch nach den vielen Vorstellungen in all den Jahren im Alter immer nervöser werde. Ich hatte gedacht, das wird besser, es wird aber schlimmer. Dieses Wissen, was passiert, wenn du einen Hänger oder einen Total-Blackout hast! Früher war ich mutig, aber heute sind die Erwartungen so hoch..." Da ist er wieder, der Selbstzweifel.

Monika Gruber: Gruber 2015 bei den Dreharbeiten zur Serie "München 7" mit Christine Neubauer.

Gruber 2015 bei den Dreharbeiten zur Serie "München 7" mit Christine Neubauer.

(Foto: Alessandra Schellnegger)

Und das, obwohl sich auch die Fans im Deutschen Theater die Seele aus dem Leib jubeln, als sie zur Dankesrede ansetzt, natürlich nicht, ohne - wie zuvor schon Kollege Schleich - einen Gender-Schlenker einzulegen: "Und an alle, die sich als Katze fühlen: ein herzliches Miau in die Runde." Bevor sie loslegt, nuschelt sie ins Mikro "Boah, I muss meine Schua ausziagn" - und erntet den nächsten Jubelsturm: die Gruberin, eine von uns! Eine Sitznachbarin mittleren Alters, offenbar Gruber-Novizin, meint nur: "Die ist mir sympathisch. Ewig schade, dass die aufhört." So geht es vielen Betrachtern der Szene.

Kollegin Luise Kinseher vermutet, "dass sie uns überraschen wird"

Helmut Schleich hatte Verständnis für die Entscheidung geäußert und ihren weiteren Karriereplan mit der Würstlbude vor der Nationaloper ausdrücklich gutgeheißen: "eine Bereicherung für München und die kabarettistische Fortführung im richtigen Leben." Kollegin Luise Kinseher erzählt derweil am Telefon, sie könne sich vorstellen, "dass sie uns mit neuen Ideen und Projekten überraschen wird". Beide haben sie mit dem gleichen Autor zusammen gearbeitet, Thomas Lienenlüke, ab und an gemeinsam vor der Kamera gestanden.

Gruber selbst bleibt da im Ungefähren. "Ich habe ein paar Projekte, an denen ich arbeite, die aber noch nicht spruchreif sind", sagt sie im Silbersaal, "wenn das was wird, woran ich gerade arbeite, dann komme ich vielleicht nochmal ins Fernsehen." Und sonst? "Mal sehen. Meine Eltern werden halt immer älter, meine Mutter ist 78, mein Vater schon 84. Man weiß ja nicht, was kommt, deshalb mag ich für sie da sein, und wenn ich immer auf Tour bin, bleibt einfach keine Zeit." Eigentlich hätte sie Mama Leni mit ihrem geballten Mutterwitz gern mitgebracht zur Preisverleihung, "aber sie mag nicht im Mittelpunkt stehen - so bin ich eigentlich ja auch, ob man das jetzt glaubt oder nicht." Da ist er wieder, der Graben zwischen der Bühnen-Gruberin und der Monika aus dem Erdinger Land.

Monika Gruber: Monika Gruber bei ihrer Dankesrede im Deutschen Theater.

Monika Gruber bei ihrer Dankesrede im Deutschen Theater.

(Foto: Robert Haas)

Im Oktober hatten Merkur und Oberbayerisches Volksblatt berichtet, dass ihre "Luxus-Villa" zum Verkauf stünde, ein "Wohntraum für 6,3 Millionen Euro". Ist da was dran? "Ich bin noch in Erding", sagt sie knapp. Ob das auch so bleibe, will der Kollege vom Boulevard wissen. Sie sagt: "Schaun mer mal." Geht ja auch keinen was an. Sie will jetzt ihr Ding machen, die Rolle als öffentliche Frau abstreifen, frei nach "Rocky": "Gonna fly now, flying high now. Gonna fly, fly, fly."

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:"Ich schreibe, also bin ich"

Karl Stankiewitz ist mit 94 Jahren wahrscheinlich der dienstälteste Journalist Deutschlands. Seine Karriere begann er 1947 bei der SZ im Keller in der Sendlinger Straße. Ein Gespräch über Zeitenwenden und die Metamorphosen einer Stadt.

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