Süddeutsche Zeitung

Soziales Engagement:Möbel für Freiheit und Toleranz

Im Bellevue di Monaco haben Geflüchtete Tische und Stühle aus Eichenholz gestaltet. Die Möbelstücke werden nun für einen guten Zweck verkauft.

Von Thomas Anlauf

"Toleranz" steht auf der Lehne des hellen Holzstuhls, auf einem anderen ist das Wort "Freiheit" zu erkennen. Es sind kleine Botschaften auf diesen besonderen Stühlen, die im Café des Bellevue di Monaco stehen. Das Besondere an ihnen ist ihre Entstehungsgeschichte.

Als das Flüchtlings- und Wohnprojekt an der Müllerstraße vor zweieinhalb Jahren konkret wurde und die drei alten Gebäude nach und nach in Eigenregie von Mitgliedern und Unterstützern der Sozialgenossenschaft und Geflüchteten saniert wurden, kam dem Münchner Architekten Matthias Marschner eine Idee: Das künftige Infocafé brauchte ja auch Mobiliar - "und es sollte etwas Besonderes sein", sagt Marschner. Möbel im Design der Fünfzigerjahre schwebten ihm vor, die möglichst auch von Geflüchteten gefertigt werden.

Schließlich fragte er seinen Freund um Rat, den Industriedesigner Michael Geldmacher. Der schlug vor, das Café-Mobiliar nicht selbst zu kreieren, sondern daraus ein Studienprojekt zu machen. Florian Petri, Professor für Industriedesign an der Hochschule München, begeisterte sich für die Idee und innerhalb zwei Semestern entwickelten 15 Studenten mit Unterstützung von Marschner und Geldmacher Tische und Stühle für den Einsatz im Café. Und sie überlegten sich, wie Geflüchtete am Bau der Möbel mitwirken könnten. In regelmäßigen Workshops wurden die Freiwilligen schließlich angeleitet, die in Einzelteilen industriell vorgefertigten Eichenholzstühle und -tische zu montieren, zu beschichten und mit persönlichen Motiven zu versehen. "Es sind alles Unikate", sagt Geldmacher über die Möbel.

Denn die Geflüchteten bringen mithilfe von Schablonen Symbole oder Wörter auf den Stühlen an, die dann eingeölt werden. Im Lauf der Zeit dunkeln die nicht imprägnierten Stellen nach und treten stärker hervor. Auch die golden verchromten Stahlrohrgestelle tragen die Handschriften der Geflüchteten, die Stuhlbeine werden sandgestrahlt und manche erhalten spiralförmige Streifen. Drei Workshops, die alle zwei Wochen stattfinden, sind nötig, bis wieder ein paar Stühle und Tische fertiggestellt sind, die das Mobiliar im Café des Bellevue di Monaco bilden.

Den Teilnehmern macht die Arbeit "richtig Spaß, sie werden ernst genommen und können sich bei den Workshops vernetzen", sagt der Architekt Matthias Marschner. Manche der Geflüchteten stießen zufällig auf das Möbelprojekt, so wie der 30-jährige Elvis aus Moosburg. Er kam eigentlich wegen des Bellevue-Chors, in dem er mitsingt, regelmäßig an die Müllerstraße. Mittlerweile zählt er zu denen, die bei jedem Workshop mitmachen und natürlich beherrscht der aus Nigeria stammende Mann jeden Handgriff beim Möbelbau. "Es macht Spaß und hier sind nette Leute", sagt er. Hier kann er wenigstens arbeiten, offiziell darf er noch keinem Beruf nachgehen.

Das Flüchtlingsprojekt funktioniert also. Doch jetzt haben Marschner und Geldmacher mit den Möbeln Großes vor. Die Bellevue-Kollektion geht in Serie, Tische und Stühle sollen verkauft werden, der Erlös geht zu hundert Prozent an die Sozialgenossenschaft Bellevue di Monaco. Dazu haben die beiden ihre guten Beziehungen spielen lassen. Maurus Reisenthel, Art Director beim Möbelhersteller "Go In", wurde als Industriepartner hinzugezogen. Jetzt hat das Unternehmen, das sich auf Möbel in Gastronomie und Hotellerie spezialisiert hat, die Bellevue-Kollektion ins aktuelle Sortiment aufgenommen. Ein Teil des Erlöses geht direkt an Bellevue, "das Projekt wird auf lange Sicht unterstützt", sagt Reisenthel.

Auch das Einrichtungshaus "Magazin" in den Fünf Höfen ist nun mit an Bord. An diesem Donnerstag, 31. Januar, wird dort von 19 Uhr an das Bellevue-Möbelprojekt präsentiert, die Tische und Stühle sind dort dann zwei Wochen ausgestellt und können bestellt werden. Marschner und Geldmacher zeigen sich zuversichtlich, dass das Projekt klappt und sich die Möbel verkaufen, zumal das Ganze ja für den guten Zweck stattfindet. "Charity kann auch sexy sein", sagt der Industriedesigner Geldmacher.

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Quelle:
SZ vom 29.01.2019/haeg
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