Moderne Architektur:Wohnen im Toaster

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Von "Schandfleck" bis "Meisterwerk": Die Meinungen zu einem extravaganten Doppelhaus in Dachau gehen weit auseinander.

Interview von Benjamin Emonts

Der Spenglermeister Michael Schrodt, 33, hat in Dachau im Obstgarten seiner verstorbenen Großmutter ein aufsehenerregendes Doppelhaus aus Beton und Metall erbaut. Die Meinungen über das extravagante Gebäude in Dachau-Süd gehen im Netz weit auseinander, sie reichen von "Schandfleck" über "Denkmal der Geschmacklosigkeit" bis hin zu "Meisterwerk".

SZ: Herr Schrodt, im Netz finden sich Hunderte Kommentare zu Ihrem neuen Haus. Die Leute assoziieren damit ein nostalgisches Radio, einen Toaster oder eine Handtasche ohne Henkel. Was soll es denn nun darstellen?

Michael Schrodt: Eigentlich wollte ich mich an den durchaus lustigen Diskussionen nicht beteiligen. Mein persönlicher Favorit ist aber der Toaster, und auf Platz zwei folgt der "goldene Wohnwagen".

Als solcher wurde ihr Hausentwurf von Politikern im Dachauer Bauausschuss bezeichnet. Was haben Sie sich im ersten Moment gedacht?

Ehrlich gesagt, musste ich mir das Lachen verkneifen. Es war ja ein ernstes Anliegen, das ich in den Bauausschuss gebracht habe.

Ihr Antrag auf einen Bauvorbescheid wurde von dem Gremium im ersten Anlauf abgeschmettert. Es soll Stadträte gegeben haben, die es als Beleidigung empfanden, über ein derart extravagantes Bauvorhaben abzustimmen .

Mich haben die negativen Reaktionen ziemlich überrascht. Dass mein Haus polarisiert, war mir klar. Aber ich habe wirklich nicht damit gerechnet, dass so ein Politikum daraus gemacht wird. Wenn man so viel Herzblut und Energie in ein Projekt steckt, dann ist man enttäuscht und auch sauer, wenn es nicht ernst genommen wird. Die Emotionen kochen in einem hoch. Nach der Sitzung war ich so wütend, dass ich die Laufschuhe aus dem Keller geholt habe und 18 Kilometer quer durch die Pampa gelaufen bin - und ich bin wirklich kein Läufer.

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Sie haben aber nach dieser Erfahrung nicht aufgegeben.

Nein, dafür bin ich auch nicht der Typ. Wenn man sich für etwas wirklich interessiert und ein festes Ziel vor Augen hat, dann muss man auch mal dranbleiben und sich festbeißen. Ich glaube schon, dass diese Hartnäckigkeit ein Wesenszug von mir ist. Und rein rechtlich war ich mir ohnehin sicher, dass der Bauausschuss meinen Antrag nicht abweisen kann.

So kam es dann auch. Im zweiten Anlauf wurde Ihrem Antrag im Dachauer Gremium mit deutlicher Mehrheit zugestimmt. Was führte zu der wundersamen Wandlung?

Noch am Tag der Sitzung erhielt meine Architektin vom Dachauer Bauamt einen Anruf, dass es keine rechtliche Handhabe gebe, um den Bau zu verhindern. Das Grundstück, auf dem das Haus steht, wird nach Paragraf 34 des Baugesetzbuchs behandelt. Für eine Baugenehmigung ist demnach nicht das äußere Erscheinungsbild, sondern das Volumen eines Gebäudes entscheidend. Den Stadträten war diese Sachlage offenbar zunächst nicht klar. Um ihnen auf die Sprünge zu helfen, habe ich eine Broschüre erstellt, in der ich gezeigt habe, wie vielfältig und inhomogen die Bebauung in Dachau-Süd ist, wo das Haus heute steht. Ich habe meine Hausaufgaben von Anfang an gemacht.

Was hat Sie zu Ihrem außergewöhnlichen Projekt inspiriert?

Als meine Oma mir das Grundstück vermacht hat, war mir sofort klar, dass ich etwas Innovatives schaffen möchte, das sich mit der Vision meines Spenglerbetriebs deckt. Ich habe mich schon vor Jahren auf Metallfassaden und Foliendächer spezialisiert und bin davon zu hundert Prozent überzeugt, weil sie nachhaltig und wetterresistent sind. Meine Prämisse war also, möglichst viel selbst zu machen und mein Knowhow einfließen zu lassen. Ich wollte beweisen, dass ein kleiner Handwerksbetrieb imstande ist, Außergewöhnliches zu leisten.

Sie sind weit rumgereist in der Welt, haben als Hobby-Fotograf sogar schon die Antarktis bereist. Welchen Einfluss hatten diese Erfahrungen auf Ihr Bauwerk?

Ich war in fast 40 Ländern dieser Welt, in Australien, Mikronesien, Papua-Neuguinea, Russland, Mongolei, China. Mich interessieren fremde Menschen, mich interessiert fremde Kultur. All diese Einflüsse haben mich geprägt im Laufe der Jahre, auch mein Verständnis für Architektur und Kultur. Ich habe gelernt, offen zu sein. Das wird durchaus einen Einfluss gehabt haben.

Haben Sie schon Anfragen erhalten, weitere "Toaster" zu bauen?

Ich habe konkret die Anfrage eines Bauherren auf dem Tisch liegen, der sich vorstellen könnte, eine ganze Siedlung so zu bauen. Inwieweit daraus etwas wird, kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Aber es scheint dann doch Menschen zu geben, denen mein Haus gefällt und die sich vorstellen können, darin zu leben.

Sie selbst wollen nicht darin leben?

Ich bewohne eine Zwei-Zimmerwohnung in einem Mehrfamilienhaus in Dachau. Eine Wohnung ist doch einfacher zu pflegen als ein Haus, besonders wenn man so oft auf Reisen ist wie ich.

© SZ vom 02.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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