Modellprojekt:Architekten wollen günstigen Wohnraum in München schaffen

Modellprojekt: Die Genossenschaftliche Wohnanlage in einer ehemaligen Kleiderfabrik in Berg am Laim wurde mit einem "Ehrenpreis für guten Wohnungsbau" der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.

Die Genossenschaftliche Wohnanlage in einer ehemaligen Kleiderfabrik in Berg am Laim wurde mit einem "Ehrenpreis für guten Wohnungsbau" der Landeshauptstadt München ausgezeichnet.

(Foto: Alessandra Schellnegger)
  • Ein Münchner Architekt hat ehrenamtlich die Netzwerk-Initiative "Wohnraum für alle" gegründet.
  • Zusammen mit anderen Architekten und Stadtplanern will er bezahlbaren Wohnraum in München schaffen - nicht nur für Flüchtlinge.
  • Vor allem einige der strengen Vorgaben machen es den Planern schwer, günstig und trotzdem nachhaltig zu bauen.

Von Jakob Wetzel

Es soll sehr schnell gehen, und das sei auch nötig, sagt Christian Böhm, der Vorsitzende des Deutschen Werkbundes Bayern. Tausende Flüchtlinge seien hier, "die Leute stehen im Regen, der Schnee kommt, und Container sind zwar wichtig, aber langfristig keine Lösung". Deshalb müsse rasch bezahlbarer Wohnraum her, sagt Böhm - und zwar nicht nur für Flüchtlinge, sondern für alle. Zusammen mit Architekten und Stadtplanern hat er sich vorgenommen, dieses Problem endlich anzugehen. Mitmachen sollen möglichst viele.

Böhm, selbst Architekt, hat mit sechs Kollegen ehrenamtlich die Netzwerk-Initiative "Wohnraum für alle" gegründet, die vom Werkbund getragen wird. Am vergangenen Samstag haben die Initiatoren etwa 100 weitere Planer, Architekten und Vertreter von Behörden sowie aus der Bauwirtschaft im Vorhoelzer-Forum der Technischen Universität versammelt. Sie wollen nach Wegen suchen, nicht nur rasch günstige Wohnungen zu bauen. Gefragt ist der große Wurf: Es müsse nachhaltig geplant werden, schnell, günstig und so, dass aus den Neubauten keine sozialen Brennpunkte von morgen entstehen, sagte Böhm.

"Wohnraum für alle"

Im Januar soll es bereits erste Konzepte geben, die online unter wohnraum-fuer-alle.de präsentiert werden sollen; hier können sich auch weitere Unterstützer melden. Im Frühjahr 2016 sollen die ersten Modellprojekte beginnen. Langfristig soll eine Plattform entstehen, auf der Planer, Bauträger und Kommunen zusammentreffen und Konzepte erarbeiten können, sagte die Architektin Mechthild Glaab.

Stadt und Landkreis München sandten am Samstag ermutigende Zeichen an die Initiative: Landrat Christoph Göbel (CSU) kündigte Unterstützung des Landkreises an, auch in Gestalt von Grundstücken. Die Stadträtin und Mieterverein-Vorsitzende Beatrix Zurek (SPD) nannte die Flüchtlingskrise ein "Hallo-wach-Erlebnis", es gehe aber nicht nur um Flüchtlinge.

Die Zahl der Sozialwohnungen in der Stadt sei seit Jahren rückläufig. 1999 habe es noch 250 000 gegeben, 2014 nur noch 130 000. Im Jahr 2020 würden es 80 000 sein. Man müsse gegensteuern. Private Träger müssten stärker gefördert werden. Die Behörden müssten zudem mehr Akteure einbinden, es gebe etwa viel ungenutztes Potenzial bei Genossenschaften. Umgekehrt aber müssten sich auch Immobilienfirmen ihrer Verantwortung stärker bewusst werden.

Mehr Spielraum bei den Vorgaben gefordert

Die Initiatoren sehen auch darüber hinaus viele Ansätze: Man müsse flexibler bauen und mehr gemeinschaftliche Wohnformen entwickeln, hieß es am Samstag. Unsinnige Vorgaben müssten gelockert werden: Für Flüchtlingsunterkünfte etwa würden derart niedrige Standards angesetzt, dass Baufirmen ihre Entwürfe umjustieren müssten, sagte der Architekt Lothar Grassinger. So entstünden Wohnungen mit weniger Qualität, die sich schlechter nachnutzen lassen, aber mehr kosten.

Einigkeit herrschte auch in einem für Anwohner heiklen Punkt: Man müsse darüber nachdenken, dichter zu bauen, sagte Cornelius Mager, der Leiter der Münchner Lokalbaukommission. Dabei müsse nicht unbedingt mehr Verkehr entstehen. Eine Nachverdichtung biete auch die Chance, Siedlungen aufzuwerten, ergänzte Irene Burkhardt vom Bund Deutscher Landschaftsarchitekten.

Ohnehin schreibe die bayerische Bauordnung deutschlandweit mit die größten Abstandsflächen vor, da sei Spielraum, sagte Grassinger. Und das Ergebnis sei ungemütlich, fand Matthias Ottmann, Chef der Firma Urban Progress: "Eine historische Stadt, in der wir uns gerne aufhalten, kann man mit der bayerischen Bauordnung gar nicht mehr bauen."

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