Mittersendling:Frau lag zwei Jahre tot in Münchner Wohnung

Lesezeit: 2 Min.

  • Im Stadtteil Mittersendling hat die Polizei in einer Wohnung die Leiche einer 91-Jährigen gefunden.
  • Die Frau muss im April 2015 gestorben sein - neben der Leiche lag eine aufgeschlagene TV-Zeitschrift.
  • Ein Nachbar hatte die Polizei verständigt, nachdem ihm der überquellende Briefkasten aufgefallen war.

Von Kerstin Kerscher und Thomas Schmidt

Die Fernsehzeitschrift lag aufgeschlagen auf dem Wohnzimmertisch. Sie zeigte das Programm für den April 2015. In diesem Monat muss die 91 Jahre alte Frau einsam gestorben sein. Niemand nahm davon Notiz. Fast zwei Jahre lang lag ihre Leiche unentdeckt in einer Wohnung in Mittersendling. Nun hat die Polizei sie gefunden. Offiziell ist die Todesursache noch ungeklärt, auf ein Verbrechen weist derzeit jedoch nichts hin. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist die alte Frau eines natürlichen Todes gestorben. Und in der Millionenstadt München gab es keinen einzigen Menschen, der sie vermisste.

Knapp zwei Jahre nach ihrem Tod war es am Ende ein Nachbar, der am Samstag die Polizei verständigte. Der Briefkasten der Frau quoll über, mehrmals klingelte der Mann an der Tür der Seniorin, doch niemand öffnete. Irgendwann begann er, sich Sorgen zu machen. Später berichtete er der Polizei, er habe seine betagte Nachbarin bereits seit etwa einem Jahr nicht mehr gesehen. Die Beamten verschafften sich Zugang zu der Wohnung - und fanden die Leiche. Sie lag auf dem Wohnzimmerboden, nur noch das Skelett war übrig. Im selben Zimmer lag auch die Fernsehzeitschrift.

Hinweise auf ein Verbrechen gibt es nicht

Bisher gebe es keine Hinweise auf ein Verbrechen, bestätigt Christoph Reichenbach, Pressesprecher der Polizei. Aufgrund des schlechten Zustands der Leiche könne man vermutlich keine anatomische Todesursache mehr feststellen. Die sterblichen Überreste werden ins Institut für Rechtsmedizin überführt. Bei der Polizei ist das Kommissariat 12 für "Todesermittlungen" zuständig, es kümmert sich auch um tödliche Unfälle oder Suizide. Doch in diesem Fall gibt es vermutlich nicht mehr viel zu ermitteln. Die 91-Jährige ist einsam gestorben - und blieb auch nach ihrem Tod allein.

Gerade in der Anonymität einer Großstadt besteht die Gefahr, dass alleinstehende Menschen im Alter vereinsamen. Um das zu verhindern, gibt es in München mehr als 30 Alten- und Service-Zentren (ASZ). Sie bieten niedrigschwellige Angebote wie Mittagstische oder offene Treffs. Die ASZ vermitteln nicht nur Hilfsangebote und Beratung, sie ermöglichen vor allem soziale Kontakte.

Immer wieder gibt es Fälle, bei denen Tote erst nach langer Zeit entdeckt werden: Vor zweieinhalb Jahren fand die Polizei in der Blumenau die Leiche einer Frau, die bereits mehr als fünf Jahre lang tot war. Ihre psychisch kranke Tochter hatte sie in der gemeinsamen Wohnung liegen gelassen, jahrelang neben der Leiche gelebt und direkt neben ihr im Ehebett geschlafen. Bei der Räumung eines Kellerabteils in der Isarvorstadt entdeckten Mitarbeiter einer Hausverwaltung im Februar 2013 die Leiche eines Mannes, der seit mehr als drei Jahren tot war. Offenbar hatte er jahrelang in dem fensterlosen Raum gewohnt. Erst als die Mietzahlungen ausblieben, wurde die Hausverwaltung misstrauisch.

Auch auf dem Land werden Tote bisweilen erst Jahre später gefunden: Im Markt Heimenkirch im Allgäu lag ein toter Mann drei Jahre lang unbemerkt auf dem Dachboden eines alten Hauses. Die Tochter des Eigentümers fand den Inder 2008 zufällig. Er hatte die Dachwohnung gemietet, den Vertrag aber 2005 gekündigt, weil er zurück in seine Heimat wollte.

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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