Musikinstrumente:Schwingungen spüren

Musikinstrumente: Alles Handarbeit: Maschinelle Bearbeitungen sind in den Wettbewerbsstatuten untersagt.

Alles Handarbeit: Maschinelle Bearbeitungen sind in den Wettbewerbsstatuten untersagt.

(Foto: Alpenwelt Karwendel / Angelika Warmuth)

Zum 9. Mal findet in Mittenwald der Internationale Geigenbauwettbewerb statt. Drei Fach-Jurys mühen sich seit Tagen, die besten Geigen, Bratschen und Celli samt der zugehörigen Bögen zu ermitteln - keine leichte Angelegenheit.

Von Sabine Reithmaier, Mittenwald

"Nummer 219", sagt Péter Bársony, nimmt eine Viola auf, setzt sie an und spielt ein paar Takte Bach. Legt das Instrument weg, nimmt die nächste Bratsche: "232". Wieder der Bach, doch diese Viola klingt ein wenig anders. Schon holt der ungarische Bratschenspieler das nächste Instrument. Im Konzertsaal der Geigenbauschule Mittenwald läuft gerade eine Klangprobe mit Violinen, Bratschen und Celli, die Instrumentenbauer aus aller Welt für den 9. Internationalen Wettbewerb in Mittenwald eingereicht haben. Welches Instrument von wem stammt, wissen die Juroren natürlich nicht. Konzentriert sitzen sie im Saal und machen sich Notizen, um am Ende festzulegen, welche Instrumente in der öffentlichen Klangprobe an diesem Freitag zu hören sein werden.

Seit 1989 findet der Wettbewerb alle vier Jahre in Mittenwald statt. Wer den Namen des Orts hört, denkt fast automatisch auch an Geigenbau. Das verdankt die Marktgemeine Mathias Klotz (1653 - 1743), dem "welt beriemten Lauten- und Geigenmacher" - so titulieren ihn zumindest alte Markt-Protokolle im Geigenbaumuseum. Er hat hier 1685/86 eine Werkstatt gegründet und damit die Tradition des Geigenbaus im Ort eingeleitet. Der Mann wusste, wie man gute Instrumente baut, war er doch nach seiner Lehre in Füssen für sechs Gesellenjahre nach Padua gegangen, hatte sein Handwerk in dem Land verfeinert, das damals den Ton im Geigenbau angab. Anscheinend war Klotz auch ein vorzüglicher Ausbilder, denn Ende des 18. Jahrhunderts gab es bereits 80 Geigenbauer im Ort. Und Leopold Mozart konnte 1764 in einem Brief aus London melden, "...dass Paris und London mit Mittenwalder Geigen voll sind".

Bis zu 25 Anstriche erhält eine Geige oder ein Cello

Mittenwald habe damals nicht viel zu bieten gehabt für Touristen, witzelt Instrumentenbauer Rainer W. Leonhardt in seiner Werkstatt. Nur viel Wald und eine gute Lage an einer wichtigen Handelsroute, genau zwischen der Dogenstadt Venedig und der Fuggerstadt Augsburg. "Die Vertriebswege waren vorhanden." Seine Werkstatt, 1926 von seinem Großvater gegründet, ist mit sieben Mitarbeitern die größte in Mittenwald, die Zahl der Betriebe im Ort ist nur mehr einstellig. Eben ist er dabei, die Feinheiten der Lackierung zu erläutern. Bis zu 25 Anstriche erhält eine Geige oder ein Cello, alles per Hand aufgetragen. "Das Instrument soll schließlich nicht nach Plastik aussehen." 120 bis 150 Arbeitsstunden stecken in einem komplett handgefertigten Instrument, sagt er. Selbstredend ohne die Lackierung. Schon klar, dass so eine Violine nicht billig sein kann. Doch Leonhardt hat auch günstigere Modelle, bei ihnen werden Decke und Boden maschinell gefräst.

Was er denn vom Ruhm der Stradivari-Geigen halte, fragt eine Besucherin. "Den machen die Musiker aus", sagt Leonhardt trocken und holt zu einem Exkurs über die Preise aus, die derzeit durch die Decke gingen. Alte italienische Instrumente, egal ob von Stradivari, Guarneri oder Amati, seien als Geldanlagen gefragt. "Die Nachfrage übersteigt das Angebot um ein Vielfaches."

Musikinstrumente: 120 bis 150 Arbeitsstunden stecken in einem handgefertigten Instrument.

120 bis 150 Arbeitsstunden stecken in einem handgefertigten Instrument.

(Foto: Alpenwelt Karwendel / Angelika Warmuth)

Entscheidend für die Qualität eines Instruments ist auch das Holz. Leonhardt klettert nicht selbst in Wäldern umher, um geeignete Bäume zu finden, er kauft es bei Tonholz-Händlern. Auch davon gibt es einen in Mittenwald, Hans-Peter Mannes, der seinen Beruf für den schönsten der Welt hält. "Ein Baum ist ein Schatz für uns", sagt er. "Wir behandeln ihn wie ein rohes Ei." Der Respekt ist nachvollziehbar angesichts des hohen Alters der Baumriesen: 250 bis 350 Jahre alt sind die Fichten- und Ahornstämme, die Mannes lagert. 80 Prozent seines Tonholzes verkauft er inzwischen nach Asien. Den Ahorn holt er zu 95 Prozent aus Bosnien, da gebe es noch Wälder, in denen kein Mensch war, sagt er. Fichten kommen aus dem Bregenzer Wald, aus Südtirol oder sogar von der Benediktenwand. Zum Lagern sei das Mittenwalder Klima perfekt geeignet, sagt Mannes. Kein Nebel, viel Föhn, immer Zugluft - einfach ideal.

In der Werkstatt Leonhardts lagert das wertvolle Holz auf dem Dachboden. "Im Schnitt zwischen sieben und zehn Jahre", sagt Julia Klotz, Leonardts Tochter, die den Betrieb später übernehmen wird. Den Beruf hat sie an der hiesigen Geigenbauschule gelernt, eine Gründung von König Maximilian II. von Bayern im Jahr 1858, die sich bis heute bewährt. Julia Klotz hat auch eine Geige für den Wettbewerb eingereicht. Eigentlich habe sie das nicht vorgehabt, sagt sie. Aber das Instrument habe sich so gut entwickelt, "da habe ich beschlossen, doch mitzumachen". Die Wettbewerbsstatuten untersagen jegliche maschinelle Bearbeitung. Unerwünscht sind auch exzentrische Formen oder Verzierungen. Erlaubt sind Instrumente mit künstlichen Alterungs- und Abnutzungsspuren. "Retro kommt zur Zeit bei den Kunden eben gut an", sagt Julia Klotz.

Musikinstrumente: Der Klang ist subjektiv, aber einige objektivierbare Kriterien gibt es schon, um ein Instrument zu beurteilen.

Der Klang ist subjektiv, aber einige objektivierbare Kriterien gibt es schon, um ein Instrument zu beurteilen.

(Foto: Alpenwelt Karwendel / Angelika Warmuth)

Das weiß auch die Geigenbaujury unter ihrem Vorsitzenden Hieronymus Köstle, einem Stuttgarter Geigenbauer und Experten für alte Streichinstrumente. In den ersten Wertungsrunden überprüfen die Juroren vor allem die handwerkliche Qualität, die Lackierung, die Einhaltung der Maße oder die Materialzusammenstellung. 163 Instrumente waren es am Anfang. "Mehr als die Hälfte fliegt spätestens im zweiten Durchgang raus", sagt Koestler. Um den Klang kümmert sich eine dreiköpfige Klangjury, für die Bögen - auch sie dürfen eingereicht werden - eine Jury aus Bogenbauern.

Auch wenn Klang ein ganz subjektives Erlebnis sei, gebe es einige objektivierbare Kriterien, um ein Instrument zu beurteilen, sagt Jurorin Kerstin Feltz, Cello-Professorin an der Kunstuniversität Graz. "Wir testen sein Schwingungsverhalten in allen Lagen. Oder die Tonqualität und die Lautstärke." Auch diese Jury arbeitet bereits seit mehreren Tagen. "Wir nehmen uns viel Zeit, um die Instrumente einzuspielen und ihnen Raum für eine Entwicklung zu geben", sagt Tim Vogler, Primarius des Vogler-Quartetts.

Noch steht nicht fest, wer die Sieger sind. Das Geheimnis wird erst an diesem Samstag (5.11.) gelüftet, wenn die Klangjuroren im Abschlusskonzert auf den prämierten Instrumenten spielen. Spannend wird das auf jeden Fall.

9. Internationaler Geigenbauwettbewerb in Mittenwald. Öffentliche Klangprobe, 4.11., 11 Uhr, Konzertsaal der Geigenbauschule, Eintritt frei; Samstag, 5.11., 17 Uhr: Abschlusskonzert, TSV Veranstaltungssaal, Eintritt frei.

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