Mitten in Solln:We will, we will film you

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Erinnerungen festhalten - schön und gut: Aber wenn flimmernde Smartphones den Blick auf die Bühne einschränken oder sogar auf die Kinoleinwand, dann hat das Ganze doch etwas Lachhaftes.

Kolumne von Johannes Korsche

Zum Erinnern besonderer Momente sind diese kleinen Smartphones mitsamt ihren Kameras ja Segen und Fluch zugleich. Wann immer etwas zu schön scheint, um es einfach so dem Vergessen zu überlassen, erlaubt das Handy alles, wirklich alles um uns herum festzuhalten. Unkomplizierter und authentischer lässt sich die Erinnerung an einen Augenblick nicht frischhalten. Soweit zum Segen des Ganzen. Nun zu einer bekannten düsterdunklen Schattenseite: Das Konzertgefilme, bei dem nahezu zwanghaft mehr gefilmt, als zugehört wird. Neu ist nun, dass vor dieser Idiotie auch die Kinosäle nicht mehr sicher sind.

Zunächst zum bekannten Konzertphänomen. Ständig versperrt ein grell leuchtendes, in die Höhe gehaltenes Display die Sicht auf die Bühne. Es muss ja ein Video aufgenommen werden. Auch wenn das später genau ein Mal angeguckt wird. Nur um dann festzustellen, dass die Bühne vor lauter mitklatschenden Händen nicht zu sehen ist. Und außerdem nicht nur die Band zu hören ist, sondern auch der begeistert mitsingende Nachbar, der allerdings wegen seiner musikalischen Mangelbegabung sicherlich niemals vor zahlendem Publikum wird singen dürfen. Egal, das Video erinnert an diesen besonderen Live-Moment, als man seinen Idolen wahrhaftig so nah war. Irgendwie verständlich, aber auch idiotisch.

Nur logisch, dass inzwischen auch bei Konzertszenen im Kino reflexartig auf den Aufnahmeknopf des Handys gedrückt wird. Zumindest im Kino Solln ist das so, wenn das Finale des Queen-Films "Bohemian Rhapsody" über die Leinwand flackert: Auftritt beim Live Aid-Konzert im Londoner Wembley-Stadion, dem bis dahin größten Rockkonzert der Geschichte. Blöd nur, wenn das Konzert im Film nachgestellt ist. Die beiden Kinogängerinnen jedenfalls störte es nicht, dass sie da vier Schauspieler aufnahmen, die zur Originaltonspur synchron ihre Lippen und Instrumente bewegten. Was für ein authentischer Moment! Was ist dagegen schon die damalige Liveübertragung des Auftritts im Fernsehen, die sich auch heute noch in passabler Bild- und Tonqualität auf der größten Videoplattform im Internet finden lässt.

© SZ vom 09.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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