Mitten in Schwabing:Müsli im Geisterpark

Nähe kann so schön sein. Vor allem, wenn man ganz alleine ist

Kolumne von Nicole Graner

Müsli muss raus. Auch wenn man zu Hause bleiben muss. Aber ohne Gassigang geht es nun mal nicht. Also am Tag eins der beschränkten Ausgangssperre im Nieselregen hinaus in den nördlichen Englischen Garten. Personalausweis eingesteckt, damit man sich als Ehepaar ausweisen kann, und los geht es zum Luftholen.

So leer war es im Englischen Garten noch nie. Müsli sucht verzweifelt nach Spielkameraden. Hat ihre Ohren auf "Hab Acht" gestellt. Könnte ja doch sein, dass hinter einem Busch ein Kollege auftaucht und noch ein Match - wie in der Familie eine gute Spielrunde mit anderen Hunden genannt wird - möglich ist. Aber nichts, absolut nichts. Nicht einmal der kleinste Dackel lugt hinter einem Strauch hervor. Müsli ist verdutzt. Sonst am Springen und Herumstrolchen, bleibt sie ganz brav bei Frauchen und Herrchen. Nähe ist einfach schön. Dann plötzlich: Ein paar Jogger schnaufen auf Kieswegen voran - ein bisschen bellen, das hilft gegen den Nicht-spielen-können-Frust. Macht Müsli sonst nie.

Was man aber sieht wie selten zuvor: Ein Polizeiwagen nach dem nächsten fährt durch den Park, den man gefühlt an diesem Tag sonst ganz für sich alleine hat. Wäre ja eigentlich toll, aber es ist irgendwie gespenstisch. Denn da gibt es noch andere ungewohnte Laute, die scheppernd durch einen Lautsprecher von irgendwoher zu den Menschen dringen: "Liebe Bürgerinnen und Bürger, bleiben Sie zu Hause!" Die Stimme klingt blechern, streng und alles andere als beruhigend. Irgendwie fallen einem sämtliche Dystopien ein, die man im Film gesehen oder in Jugendbüchern gelesen hat. Und man möchte nur eines: nach Hause gehen. Doch aus dem Nichts taucht plötzlich ein anderer Hund auf. Ein Rhodesian Ridgeback. Mit dem ihm angeborenen schmerzvollen Blick sucht er und sucht - und findet Müsli. Doch noch ein Match. Und auf Abstand ein nettes Gespräch zwischen Hundebesitzern. Tat gut im Geisterpark. An den Tagen danach scheint die Sonne. Und dann ist Gassigehen doch ein bisschen schöner: weil Menschen zu sehen sind.

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