Mitten in München:Schutzbedürfnis an allen Enden

Lesezeit: 1 min

Mundschutzmasken sind längst im Stadtbild angekommen, doch nun tauchen am Marienplatz auch noch andere Überzieher auf

Kolumne von Berthold Neff

Asiaten generell und Japaner insbesondere tragen ja gern diese weißen Mundschutzmasken, deren Gebrauch bis in die Anfänge des vorigen Jahrhunderts zurückgeht. Damals erhoffte man sich von dieser Maskerade Schutz vor der Spanischen Grippe, später sollte der Zellstoff vor Mund und Nase einen vor der Schweinegrippe bewahren. Heute bewahrt die Maske so manche Japanerin davor, ihr Gesicht zu verlieren. Wer morgens keine Zeit zum Schminken hat, zieht einfach die Maske über. Gerade dann, wenn sie versuchen, Europa touristisch in drei Tagen zu absolvieren, haben sie zum Schminken gar keine Zeit. Deshalb wimmelt es in der Fußgängerzone von solchen Masken.

Und während man sich gerade überlegt, wann man selbst zur Maske greifen müsste - vielleicht bei einem Lippenherpes -, kommt einem unter dem Marienplatz ein Mann mit einem blauen Etwas an den Extremitäten entgegen. Er trägt diese blauen Schuhüberzieher mit Gummizug, die sich die Kommissare überstreifen, wenn sie den Tatort inspizieren. Auch Handwerker, sofern rücksichtsvoll, benutzen sie manchmal, um den Perserteppich der Kundin vor ihren klobigen Schuhen zu schützen, aus deren Profilsohle bei jedem Schritt lehmiger Dreck quillt.

Der Mann in den blauen Überziehern geht, ohne ins Rutschen zu kommen, schnurstracks auf die Rolltreppe zu. Vielleicht trägt er das Modell mit verstärkter Antirutsch-Sohle, im Internet schon für 11,79 Euro in der Großpackung zu haben, wer weiß. Hat er etwas zu verbergen, hat er gar keine richtigen Schuhe, sind es nur löchrige Socken, die seine Füße umhüllen? Oder trägt er feine handgefertigte Budapester und schämt sich, weil sie nicht so gewienert sind, wie es ihrem stolzen Preis angemessen wäre? Vielleicht kommt er aber auch nur aus der Donisl-Spüle. Dort haben ihn die blauen Überzieher vor nassen Füßen bewahrt und nach Feierabend hat er dann einfach vergessen, sie ausziehen.

Oder aber der Mann kommt aus Singapur. Kaugummi gibt es dort nur in der Apotheke, und jeder, der auf die Straße spuckt, wird hart bestraft. Entsprechend sauber ist alles. Das erklärt, weshalb er unsere schmutzigen Straßen nur mit Tatort-Latschen zu betreten wagt.

© SZ vom 29.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: