Süddeutsche Zeitung

Mitten in München:Bloß keinen Krieg mit dem Weps

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Wir Menschen sind gut beraten, Wespen das tun zu lassen, was sie so gern mögen: am Zwetschgendatschi naschen und an der Limo schlürfen

Kolumne von Gregor Schiegl

Der Weps als solcher gilt als Ärgernis, auch in Breiten, in denen der Weps bloß "die Wespe" heißt. Judith Holofernes, Sängerin der Band Wir sind Helden, hat einmal ein Gedicht über die Wespe geschrieben. Ein Vers geht so: "Schneidet Löcher in den Schinken / will dann unsere Cola trinken. / Pinkelt in den Obstsalat, / geht dann wenn der Ober naht." Ja, so ist sie die Wespe, vulgo der Weps: ein Schmarotzer von enervierender Penetranz, ein Terrorist der bodennahen Luftschichten, gerade im Freiluftland Bayern, ein chitinbehelmter Kamikaze-Flieger zwischen Zwetschgendatschi und Radlermaß, und mit seinem Giftstachel auch noch eine latent tödliche Gefahr. Man könnte das Biest verschlucken.

Nicht so gefährlich wie in der Luftröhre sind Wespen im Rollladenkasten, aber auch dort sind sie nicht wohlgelitten; sie zahlen keine Miete und sie nerven. Ein Ehepaar versuchte, die Plagegeister los zu werden, indem sie den Rollokasten frühmorgens ausräucherten. Um kurz nach sieben alarmierte das Paar die Feuerwehr, das Rollo hatte Feuer gefangen, das Zimmer brannte, was die alte Weisheit bestätigt, dass man Kriege zwar verlieren kann, niemals aber gewinnen.

Im Übrigen steht der Weps unter Artenschutz, man darf ihn weder erschlagen, vierteilen, köpfen noch pürieren, und auch der Einsatz von Feuerwaffen ist nicht gestattet, denn Deutschland ist ein Rechtsstaat, da geht alles seinen geregelten Gang, entweder über die Kommune oder die zuständigen Wespen- und Hornissenberater, die jede Gemeinde, die etwas auf sich hält, inzwischen benannt hat. Anders als der Name suggeriert, beraten diese Experten nicht den für die Natur durchaus nützlichen Weps, sondern den Bürger, der ein Problem mit ihm hat. Er bekommt Tipps, wie sich die friedliche Koexistenz gestalten lässt. Zur Not wird eine Abschirmvorrichtung hochgezogen, eine Art hausinterner Grenzzaun gegen unkontrollierten Flugverkehr. Wenn das alles nichts mehr hilft, wird der ganze Stock an einen anderen Ort verfrachtet. Aber egal, wo das dann ist: Ein Zwetschgendatschi oder eine Limo wird für den Weps immer in Flugreichweite sein.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2018
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