Mitten in München:Blindlings ins Getümmel

Auf den Münchner Gehwegen und U-Bahnhöfen pflegen viele Passanten die Gewohnheit, gleichzeitig auf das Display des Handys zu schauen und zu gehen. Die Folgen sind allerdings nicht durchweg negativ

Kolumne von Johannes Korsche

Es ist ein nicht haltbares Vorgehen, - im wahrsten Sinne des Wortes - das sich auf den Münchner Gehwegen und U-Bahnhöfen eingeschlichen hat. Denn da laufen Menschen herum, in einem Modus irgendwo zwischen selbst gewählter Überforderung und den Umstehenden wie selbstverständlich aufgedrückter Rücksichtnahme. Konkret geht es da um jene mindergute Idee, zugleich auf das Display seines Handys zu schauen und zu gehen. Nach wissenschaftlicher Beobachtung ließe sich gar eine Art "Idiotenkennzahl" errechnen: Man nehme den Winkel zwischen Gehrichtung und Blickrichtung. Je größer dieser Winkel, desto höher der Ausschlag auf dem "Idiotenmeter". Die Skala ist dabei recht einfach auszulesen. Bei den maximalen 90 Grad Unterschied: Idiotenalarm. Bei 0 Grad wandelt ein Engel auf Erden.

Übrigens trifft man diese Displayverliebten mit bewundernswerten Sicherheit an ausgesucht engen Stellen. Sie scheinen auch viel fußläufigen Gegenverkehr zu bevorzugen. Die Umstiegszone des Sendlinger Tors vom Bahnsteig der U1/2 zur U3/6 beispielsweise. Zeitgleich die Rolltreppe hinuntertaumeln und eine Nachricht ins Display hacken - Idiotenalarm. Oder über den Marienplatz laufend die neuesten Schlagzeilen durchscrollen - je nach Nachrichten-App fällt da das gänzlich objektive Urteil natürlich nicht allzu strikt aus.

Nun sind die Folgen nicht durchweg negativ. Vor allem für die "Engel" unter den Münchnern, die ihr Handy tatsächlich mal in der Tasche lassen können, also sehen, wohin sie steuern. Denn die Smombies - diese Spezies ist bereits so verbreitet, dass die deutsche Sprache sogar ein Wort, das Jugendwort 2015, dafür bereithält - führen zu ruckartigen Ausweichmanövern. Es fühlt sich dann an, als wäre man in einem Actionfilm gelandet. So hektisch und überraschend ist das Aus-dem-Weg-Springen, dass nur noch Explosion und passende musikalische Untermalung fehlen, um sich als James Bond zu fühlen. Und ist das nicht ohnehin eine langgeträumte Kindheitsfantasie?

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: