Süddeutsche Zeitung

Mitten in München:Badedress mit Abstandshalter

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Beim Geschirrspülen träumen wir von Schwimmbewegungen. Doch während man in der eigenen Badewanne singen und notfalls sogar beten kann, eignet sie sich zum Schwimmen nun mal nicht. Deshalb,  liebe Stadtwerke, macht Euch Gedanken über Ganzkopfbadekappen! Holt Eure Bademeister und Rettungsschwimmer wieder an den Beckenrand! Macht uns Hoffnung!

Kolumne von Renate Winkler-Schlang

Liebe Stadtwerke. Wir duzen euch hier als Zeichen unserer ganz besonderen Wertschätzung, denn was wären wir ohne euch, ohne Strom und Wasser, Verkehr und Telekommunikation? Liebe Stadtwerke, wir haben nun eine ganz große Bitte, eine immer unbezwingbarere Sehnsucht: Wir wollen schwimmen! Zu lange schon dürfen wir nicht mehr rein ins Süd-, Nord- oder Westbad, nicht im Michibad draußen im warmen Nass an den Düsen stehen und uns sanft massieren lassen, uns nicht im Cosima den Wellen überlassen oder im Volksbad kraulend trübe Gedanken verscheuchen.

Wir vermissen diesen Moment, in dem wir im Dante im Badedress ins Wasser gleiten. Der sich so frei, so nach ein bisschen Urlaub anfühlt. Wir werden schlaff. Wir sind traurig. Sogar beim Geschirrspülen träumen wir von Schwimmbewegungen. Doch während man in der eigenen Badewanne singen und notfalls sogar beten kann, eignet sie sich zum Schwimmen nun mal nicht, man ist ja kein Zwerg.

Wir wissen wohl, dass die Bäderöffnung nicht in eurer Vorstandsetage entschieden wird. Aber setzt euch bitte für uns Schwimmfans ein: Demonstriert auf dem Odeonsplatz mit leeren Wasserschüsseln. Überlegt euch, was alles droht, wenn keiner schwimmt. Macht euch Gedanken über Ganzkopfbadekappen und Badeshorts mit integrierten Abstandshaltern, gebt Nummernkarten aus, nehmt Reservierungen entgegen.

Wenn ihr die Gäste nach Buchstaben sortiert, fangt gerne mit W oder S an. Bannt das Virus mit noch mehr Chlor. Holt Eure Bademeister und Rettungsschwimmer wieder an den Beckenrand, macht uns Hoffnung!

Und noch etwas, liebe Stadtwerke: Nutzt die Zeit fürs Plänemachen bitte. Freilich hat nach Corona keiner gleich Geld für ein warmes, heilsames Thermalbad, selbst ohne Rutschenparadies. Aber man muss es schon mal ins Gespräch bringen, einen Standort sichern. Was das an überflüssigen Fahrten nach Erding oder ins Oberland sparen würde ... Wie wär's, nur so als Beispiel, neben der Geothermie in der Messestadt?

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Quelle:
SZ vom 15.05.2020
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