Mitten in Milbertshofen:Ein Himmelreich für einen Mixer

Es gibt sie noch, die guten Dinge

Von Jutta Czeguhn

Auch wenn es leicht spinnert scheint, es gibt erstaunlich viele Menschen, die ein inniges soziales Verhältnis zu unbelebten Gegenständen pflegen: Sie reden kumpelig mit ihren Geschirrtüchern - "Na, Du gehörst auch mal wieder in die Wäsche!" Stehen flennend am Straßenrand, wenn der Abwrackdienst das alte Auto holt, das wohl, das immerhin ist tröstlich, irgendwo in den Weiten Osteuropas noch ein drittes Leben fristen darf. Man trifft diese Gleichgesinnten auch in den Repair-Cafés der Stadt. Dort sitzen sie dann angespannt wie beim Arzt mit ihrer notbandagierten Stehleuchte - zweiflammig, höhenverstellbar - oder dem eiernden Dual-Plattenspieler. Und versuchen verzweifelt, in den Stirnfalten des Elektroexperten zu lesen, ob es noch Hoffnung gibt für das zärtlich geliebte Stück.

Der Satz "Es gibt sie noch, die guten Dinge" einer Edel-Ladenkette für den gehobenen Nostalgiker-Geldbeutel bedeutet diesen Menschen wirklich etwas. Weshalb sie auch im LED-Zeitalter trotzig-treu am Alten festhalten und so ohne große politische Agenda Nachhaltigkeit leben. Für alle also, die lieber wertschätzen als wegschmeißen, gibt es an diesem Mittwoch, 25. Januar, einen Muss-Termin: Im Kulturhaus Milbertshofen am Curt-Mezger-Platz 1, ist von 19 Uhr an Reinhard Günzlers Doku "Kommen Rührgeräte in den Himmel?" zu sehen. Ein zauberhafter, tiefsinniger Film.

Eine Design-Studentin in Jena (!) möchte einen Kuchen backen, da versagt der nagelneue Mixer. Vom Flohmarkt holt sie sich als Ersatz ein Rührgerät aus DDR-Zeiten mit grell-orangenem Plaste-Korpus, definitiv um Jahrzehnte älter sie selbst, aber noch tadellos in Form: der legendäre RG 28. Für die Studentin ist es Liebe, sie begibt sich auf eine Forschungsreise zur Geburtsstätte von RG 28, zum "Elektrogerätewerk Suhl", begegnet Menschen, die den langlebigen Rührer gebaut haben. Auf seine leichtfüßige Art berührt Günzlers Film die großen Themen unsere Zeit: Geht es nur noch um den Shareholder-Interest, um den groben Konsumkult? Schwindet mit wachsender Gleichgültigkeit gegenüber Dingen auch der Respekt gegenüber denen, die sie geschaffen haben?

Wer diesen Film gesehen hat, wird überzeugt sein: Für RG 28 & Co. ist ein Platz reserviert - im Himmel.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: