Mitten in Hadern:Staubsaugen im Untergrund

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LED-Bildschirme brauchen immer mehr Pixel. Also wird kräftig gebuddelt im Untergrund. Mobilfunkanbieter brauchen das nicht - sie versenden Daten über die Luft.

Kolumne von Berthold Neff

Der Untergrund im Allgemeinen hat ja keinen besonders guten Leumund, obwohl er im Verlauf der Geschichte durchaus auch Leben rettete. Man konnte, von den Machthabern verfolgt, in ihn abtauchen und dort neue Kraft schöpfen und Pläne schmieden, um den Mächtigen an der Oberfläche Paroli zu bieten. Der Münchner Untergrund im Besonderen zeichnet sich weniger durch verschwörerische Umtriebe aus, Verfolgte sind dort nicht mehr zugange. Er wird allenfalls dafür genutzt, uns das Leben an der Oberfläche zu erleichtern. Alles, was nicht von den ohnehin überforderten und schlecht bezahlten Paketboten in unsere Häuser und Wohnungen geliefert werden kann, kommt durch den Untergrund zu uns, zum Beispiel Strom, Gas, Fernsehen und Telefon.

Von dem regen Treiben unter ihren Füßen ahnen die meisten Passanten nichts, die über die Gehwege zur U-Bahn eilen. Bis sich ihnen dann in der Guardinistraße ein Werkstattwagen in den Weg stellt, mit rot-weißem Flatterband gesichert. Was geht da vor? Das Geräusch, das aus der Grube kommt, erinnert einen an Frühjahrsputz, es ist unverkennbar ein Staubsauger in Aktion. Dafür also haben sie Geld, obwohl an der Oberfläche immer noch tonnenweise Rollsplitt liegt!

Es ist jedoch keine gewöhnliche Putzkolonne, die hier zum Staubsauger greift, es sind Monteure eines Kabelanbieters. Offenbar können die LED-Bildschirme von Pixeln nie genug kriegen, mögen aber Staub nicht so gern. Daran sowie an Lehm, Ton und Kies kommt aber keiner vorbei, der seine Signale durch die Erde verschickt. Die Mobilfunkanbieter haben solche Probleme nicht, sie versenden ihre Daten über die Luft. Das erspart ihnen das Buddeln langer Röhren, ist aber nicht billig. Die Bundesrepublik Deutschland, die qua Gesetz die Lufthoheit über ihrem Staatsgebiet innehat, lässt sich gut dafür bezahlen, dass andere diese Luft als Basis für ihre Funkwellen nutzen dürfen. Bei der Auktion für die ersten 5G-Mobilfunkfrequenzen hat der Finanzminister schon jetzt 300 Millionen Euro eingestrichen.

Problematisch wird es nur, wenn die Luft sauber sein muss, damit sie die Mobilfunkwellen trägt. Sollte das mit dem Feinstaub überhand nehmen, wird der Bundesfinanzminister einen sehr, sehr großen Staubsauger brauchen.

© SZ vom 21.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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