Mitten in der Maxvorstadt:Warten macht müde

Wladimir und Estragon sind Profis im laaaangen Warten auf Godot. Im Publikum im Münchner Volkstheater hat nicht jeder dieses Durchhaltevermögen. Wenn die Augenlider bei all dem Gewarte schwer werden, hilft nur eines: ein Nickerchen

Kolumne von Jennifer Sandmeyer

Da gibt es diesen Herrn, der einfach nicht auftauchen will. Des Abends warten zwei Männer beharrlich auf ihn. Jeden Tag. Wobei sich die beiden oft gar nicht mehr an das gemeinsame Warten vom Vortag erinnern können. Oder wollen. Woher er kommt, keine Ahnung. Godot heißt er, soviel ist klar. Schließlich betonen es Wladimir und Estragon in einem fort. Als ob der Zuschauer sonst vergessen würde, warum sich die beiden immer nur an dieser einen Stelle, vor einem kahlen Baum aufhalten, auf einem Felsen sitzen und sich die Zeit mit einem grotesken und offenbar sinnlosen Schlagabtausch vertreiben.

Soweit so gut. Und das Publikum wartet geduldig mit. Auf Godot. Der ja, und das weiß der belesene Theaterbesucher durchaus, nie auftauchen wird. Auch dieses Mal nicht, im Samuel-Beckett-Stück am Münchner Volkstheater - inszeniert von Nicolas Charaux. Die schauspielerische Leistung ist beeindruckend: Da wird geschrien, dass die Spucke in kleinen Tröpfchen wie ein Sprühnebel Richtung Zuschauer spritzt, da wird sich auf den Boden geschmissen, sich gekrümmt, geprügelt, herumgerollt. Ein wahres Slapstick-Spektakel. Trotz aller Komik und durchaus heiterer Momente bleibt einem manchmal das Lachen im Halse stecken.

Ja, bei einer so ernsten Thematik, da hält manch einer den Atem an und geht in sich. Manch einer - wie die Zuschauerin neben einem - schließt dabei auch gerne mal die Augen. Natürlich nur, um ganz für sich zu reflektieren. Und beginnt dann ganz ruhig und regelmäßig zu atmen. Ein und aus. Moment Mal. Ein kurzer Blick zur Seite. Nein, oder? Und tatsächlich: Das Warten kann schon mühselig sein. Da hilft kein Slapstick, keine Spucke. Da schläft man einfach ein. Bis zur Pause. Der Beifall weckt die Träumende. Zum zweiten Akt ist die Zuschauerin aber wieder da. Anders als Godot.

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