Mitten in der Maxvorstadt:Sentimentale Studienreise

Das meiste ist noch da. Man erkennt es sofort

Kolumne von Nicole Graner

Irgendwann war es mal wieder soweit. Nach langer Zeit an der U-Bahn-Haltestelle Universität ausgestiegen, in die Schellingstraße abgebogen. Und in diesem Moment zog einen die Erinnerung in die Studienzeit zurück wie ein magisches Band. Im Unicafé Lost Weekend sitzen sie an kleinen Tischen und arbeiten. Nicht mit Block und Stift wie einst, sondern mit Laptops. Die eigene Magister-Arbeit 1991, die schrieb man noch auf dem Atari, dem Nonplusultra in Grau.

Die Stufen geht es fast von alleine nach oben ins Gebäude der Fakultät für Sprach- und Literaturwissenschaften. Kaum zu glauben, aber die Wände sind immer noch grün, und im Schaukasten werden die Namen der Professoren wie gehabt mit leicht vergilbten Buchstaben gesteckt. Und diese blauen Spinde. Die Zeit ist hier anscheinend stehen geblieben. Denn auf den orangefarbenen Sitzbänken diskutieren nach wie vor junge Menschen leidenschaftlich. Über irgendein Stück, so erlauscht der neugierige Besucher, in dem sich ein Mann angeblich einen Harem voller nackter Frauen vorstellt. Oha! "Sag mir einen Mann", erklärt der Student seinem Nachbarn, "der sich das nicht wünschen würde?" Ein bisschen weiter wird in Gruppenarbeit vermutlich ein Protokoll erstellt. Und, auch das hat sich nicht geändert, es wird gejammert, was man noch alles lesen müsse.

Und draußen? Die alten, so oft gegangenen Wege zum Kopierladen an der Amalienstraße. Es gibt ihn noch, aber dazwischen viel Neues. Einen Hair-Stylisten für den eiligen Studenten - mit und ohne Termin -, sogar einen kleinen Laden für Thai-Massage findet man. Gab es nicht in den winzigen Räumen an der Schellingstraße 28 eine Art Outdoorladen, der vollgestopft war mit Schlafsäcken? Und die gute alte Konditorei Schneller, wo sich zur Lektüre wunderbar Kuchen naschen ließ. Ach, noch einmal studieren, jung sein. Im Atzinger ein Bier trinken, im Schellingsalon eine Runde kickern. Auch wenn vieles anders ist, es sehr viel mehr Angebote gibt für eine kleine Mahlzeit zwischendurch - irgendwie fühlt man sich sofort wieder daheim in der Maxvorstadt. Und die Wehmut kommt, die Sehnsucht, auf abgewetzten Sitzbänken mal wieder leidenschaftlich über Literatur zu diskutieren.

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