Süddeutsche Zeitung

Mitten in der Maxvorstadt:Fauchendes Monster

Lesezeit: 1 min

Nach der Sanierung ist vor der Sanierung: Manchmal ähnelt das ganze Leben tatsächlich einer Baustelle

Glosse von Anita Naujokat

Irgendwann, so dachte man nicht zum ersten Mal, müsste in dem kleinen Stück Sträßchen in der Innenstadt doch mal alles aussaniert und renoviert sein. Nervtötendes Bohren wie beim Zahnarzt, stakkatoartiges Hämmern und an- und abschwellende pfeifende Schleifgeräusche aus den Häusern nebenan begleiteten einen wieder den ganzen Sommer über. Nicht gleichzeitig, sondern immer schön nacheinander, als gäbe es dafür irgendwelche Gesetze. Kaum waren die Werkzeuge in der Wohnung links gegenüber verstummt, kreischte es schon auf der rechten Seite los. Zwischendurch rollten Möbelpacker an, bearbeiteten Hausmeister teppichgroßes Grün in Hinterhöfen mit Maschinen als wären sie in kanadischen Wäldern zugange.

Dann war Pause. Schon fast unheimlich. Bis sich neulich direkt gegenüber plötzlich ein stählernes Ding langsam hinter dem Müllhäuschen auftauchend in die Lüfte erhob und sich ins Blickfeld schob. Ein Kranarm. An seinen Ketten ein monströser orangefarbener Kasten baumelnd, der sich laut Aufschrift als mobiles Wärmesystem entpuppt. Auf die Frage, wozu es denn so etwas brauche, sagt einer der Installateure, der sei nur Übergang. Man baue im Gebäude eine neue Heizung ein. Aha.

Neugierig beobachtet man, wie sich die Männer anschicken, das rechteckige Ungetüm an den Aufhängungen auszubalancieren und millimetergenau in den überdachten Durchgang auf der anderen Seite bugsieren. Wie sie das wohl in den Keller kriegen? Die Antwort erübrigte sich Stunden später. Ein weiterer Transport war gar nicht vorgesehen. Das Monster hat seinen Standort genau drüben in der Durchfahrt. Und funktioniert prächtig. Fährt Tag und Nacht fauchend in Intervallen hoch, ähnlich dem Anschmeißen eines Flammenwerfers. Gleich mal ins Internet geschaut: Wie lange dauert eigentlich so ein Heizungseinbau? Tja, das kann von wenigen bis zu einigen Tagen reichen: Je nachdem, ob es sich um eine komplette Änderung handelt und genügend Handwerker zur Verfügung stehen.

Jetzt ist man schon mal gespannt, was als nächstes kommen könnte. Sicher muss irgendwo noch etwas saniert werden. Vielleicht sollte man ja selbst anfangen? Natürlich nicht gleich. Erst wenn drüben die Heizung fertig ist.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2020
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