Studie:Mittelstand investiert zu wenig in die Digitalisierung

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  • Laut einer Studie gibt jedes fünfte Münchner Unternehmen, das im Jahr maximal 500 Millionen Euro umsetzt, Geld für digitale Innovationen aus.
  • Peter Herreiner, Leiter des Firmenkundengeschäfts Bayern Süd bei der Hypo-Vereinsbank, geht das nicht weit genug.
  • Er warnt davor, dass Münchner Unternehmen ihre Wettbewerbsvorteile verlieren könnten.

Von Linus Freymark

Die Digitalisierung ist eine Gleichung mit vielen Unbekannten. Niemand weiß genau, wie schnell sie voranschreiten wird, welche konkreten Veränderungen sie mit sich bringen wird und wie man diesen begegnen soll. Auch Peter Herreiner weiß um diese Unbekannten. Herreiner ist Leiter des Firmenkundengeschäfts Bayern Süd bei der Hypo-Vereinsbank, zu seinen Kunden zählen viele mittelständische Unternehmen.

Für Herreiner ist die Bedeutung der Digitalisierung in etwa vergleichbar mit jener der Industrialisierung: eine bahnbrechende Neuerung, die die Arbeitswelt, wie man sie bisher kennt, auf den Kopf stellen wird und für die man sich lieber jetzt als später rüsten sollte. Und deshalb steht für Herreiner fest: Die Mittelständler am Wirtschaftsstandort München investieren zu wenig in den digitalen Fortschritt.

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Laut einer bundesweiten Befragung mittelständischer Unternehmen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) von 2016, die Herreiners Bank speziell für München ausgewertet hat, gibt jedes fünfte hier ansässige Unternehmen mit einem Jahresumsatz von maximal 500 Millionen Euro Geld für digitale Innovationen aus. 484 Millionen Euro haben die 130 000 Münchner Mittelständler demnach investiert, ein Großteil davon wurde dafür verwendet, firmeninterne IT-Technik zu erneuern. Peter Herreiner geht das aber alles nicht weit genug. "Bayern ist ein außerordentlich guter Wirtschaftsstandort, aber die Unternehmen müssen ihre Chancen bei der Digitalisierung heute schon stärker nutzen, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein", findet er. Würden Unternehmen anderswo mehr Geld in die digitale Entwicklung pumpen, könne es sein, dass Münchner Firmen Wettbewerbsvorteile verlören. Neuerungen müssten vor allem im Betriebsablauf und in der Außendarstellung erfolgen.

Natürlich sei nicht jede Branche gleich von der Digitalisierung betroffen, ein Bäcker etwa braucht weniger Technik als eine Werbeagentur. Trotzdem gebe es auch dort, wo man es auf den ersten Blick vielleicht nicht erwarte, Investitionsbedarf. Häufig beginne dies schon beim Internetauftritt, jedes zweite Handwerksunternehmen hierzulande hat keine Internetseite, obwohl sich viele Kunden mittlerweile im Internet über die verschiedenen Anbieter informieren.

Man kann diese Ausführungen als die Übertreibungen eines Kreditinstituts abtun, das seine Kunden zu Investitionen drängen und ihnen Kredite verkaufen will. Und natürlich dürfte der Aspekt mit den Krediten, die auf lange Sicht zwangsläufig nötig wären, um all die von Herreiner befürworteten Ausgaben zu finanzieren, nicht unwesentlich für dessen Sorge um den Münchner Mittelstand sein.

Staatsregierung sieht ebenfalls Handlungsbedarf

Nur: Dass die fortschreitende Digitalisierung Investitionen des Münchner Mittelstands erfordert, ist mittlerweile auch Konsens bei den betroffenen Betrieben. Laut einer Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) für München und Oberbayern von 2017 sehen 80 Prozent aller mittelständischen Betriebe einen steigenden Investitionsbedarf im Zuge der Digitalisierung. "Viele Unternehmen erkennen, dass sie aufholen müssen, wenn sie den digitalen Wandel nicht verpassen wollen", sagt Peter Driessen, Hauptgeschäftsführer der Münchner IHK.

Peter Herreiner begründet die Notwendigkeit von Investitionen auch mit dem globalen Wettbewerb: "Deutsche und somit auch bayerische Mittelständler stehen heutzutage vor noch größeren Herausforderungen, weil die Digitalisierung den globalen Wettbewerb verschärft."

Die bayerische Staatsregierung sieht ebenfalls Handlungsbedarf beim Thema Digitalisierung. Das Wirtschaftsministerium unterstützt kleine und mittelständische Unternehmen deshalb seit 2016 mit dem Förderprogramm Digitalbonus dabei, "sich für die Herausforderungen der digitalen Welt zu rüsten", wie es heißt. Mit bis zu 10 000 Euro können sich Firmen innovative Projekte rückzahlungsfrei bezuschussen lassen, bis zu einer Höhe von zwei Millionen Euro gibt es verbilligte Darlehen. "Zuwendungsfähig" seien ausschließlich die Kosten für neue Innovationen.

80 Prozent der Investitionen würden mittelständische Unternehmen hierzulande aus eigenen Mitteln finanzieren, rechnet Peter Herreiner vor. Ihm gehen diese Ausgaben nicht weit genug. "Zu wenige Unternehmen investieren intensiv genug", sagt er. Dabei müsse man neue Geschäftsfelder erschließen, die Produktion effizienter gestalten und neue Geschäftsmodelle entwickeln. "Die Digitalisierung verläuft exponentiell", warnt Herreiner, "das Entwicklungstempo nimmt zu, nicht ab". Ohne eine digitalisierte Unternehmensstruktur wird es in den nächsten Jahren wohl auch für Münchner Mittelständler schwierig werden, sich gegen ihre Konkurrenten durchzusetzen - vom Bäcker bis zur Werbeagentur.

© SZ vom 16.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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